Coronawelle(n): Die Pleitewelle rollt spätestens ab Januar – jetzt sich wirksam wappnen!

Hervorgehoben

Viele Betriebe haben die erste Coronawelle auch dank der staatlichen Hilfsprogramme überlebt. Doch selbst wenn uns ein zweiter Lockdown, den wohl viele nach eigener Aussage ganz sicher nicht überstehen würden, erspart bleibt, so werden die wirtschaftlichen Folgen mit Auslaufen der zahlreichen Erleichterungen zum Ende dieses Jahres nur um so härter zuschlagen. Wer für dieses Szenario gut aufgestellt sein will, muss sich jetzt kümmern.

Vom Umgang des Betriebsrats mit dem Insolvenzverwalter

Trotz abnehmender Tendenz meldeten im vergangenen Jahr immer noch über 30.000 Unternehmen Insolvenz an (Grafik). Bei insgesamt etwa 97.000 Betrieben mit Betriebsrat dürften daher auch einige Betriebsräte Bekanntschaft mit einem Insolvenzverwalter gemacht haben. Insolvenzordnung und Betriebsverfassungsgesetz geben zwar vor, wie das Verhältnis der beiden Parteien auszusehen hat, doch in der Praxis erleben Betriebsräte wie Insolvenzverwalter immer wieder Überraschungen.   Weiterlesen

Personalabbau ohne betriebsbedingte Kündigungen und auch noch Abfindungen sparen

von Mediator und Coach Sebastian Schoberansky

Bei meinen Recherchen zur Schlecker-Insolvenz stieß ich auf ein noch recht druckfrisches Urteil des Bundesarbeitsgerichts aus dem vergangenen November (BAG, 10.11.2011, 6 AZR 342/10). In diesem Urteil wird ein Weg beschrieben, wie man sich als Arbeitgeber bei einer drohenden Insolvenz beim notwendigen Personalabbau teure Sozialplan-Abfindungen erspart und so ggf. länger durchhält.

Im vorliegenden Fall schloss der Arbeitgeber mit einem Arbeitnehmer eine Aufhebungsvereinbarung, die die Zahlung einer Abfindung zum Zeitpunkt des tatsächlichen Ausscheidens vorsah. Grundlage war ein Sanierungssozialplan. Das Arbeitsverhältnis sollte 8 Monate nach der Unterzeichnung enden.

Einen Monat vor Ende des Arbeitsverhältnisses und damit vor Auszahlung der Abfindung wurde jedoch das Insolvenzverfahren eröffnet. Es kam wie es kommen musste: der Arbeitgeber/Insolvenzverwalter zahlte die vereinbarte Abfindung nicht. Nach erfolglosem Ablauf einer Mahnfrist erklärte der Arbeitnehmer den Rücktritt von der Aufhebung gem. §323 (1) BGB wegen einseitiger Nichtleistung und bot seine Arbeitsleistung wieder an. Sicherheitshalber meldete er die Abfindung als Insolvenzforderung an.

Die Entscheidung des BAG muss den Arbeitnehmer wie ein Hammer getroffen haben: Das BAG verneint die Möglichkeit des Rücktritts von der Aufhebungsvereinbarung, da es zur Ausübung des gesetzlichen Rücktrittsrechts an der geforderten Durchsetzbarkeit des Anspruchs eben wegen der eröffneten Insolvenz fehlt. Der Schuldner, hier jetzt der Insolvenzverwalter in seiner Arbeitgeberfunktion, darf jedoch nicht leisten, denn dazu gibt es ja die Möglichkeit der Anmeldung zur Insolvenztabelle, weil die Forderung vor Eintritt des Insolvenzereignisses entstanden ist.

Damit ist der Arbeitnehmer gleich zweimal gestraft: Erstens wird er von seiner Abfindung wohl kaum mehr als 1-2% sehen, denn in dieser Größenordnung werden in aller Regel Insolvenzforderungen erfüllt, zweitens kann er zum Ausgleich kaum noch unter den Schirm eines etwaigen Insolvenz-Sozialplans schlüpfen, denn er ist kraft Aufhebungsvereinbarung nicht mehr Arbeitnehmer des insolventen Betriebes, wenn dieser Sozialplan nach dem Ausscheiden in Kraft tritt. Hier ist er auf das Wohlwollen und Verhandlungsgeschick des Betriebsrats angewiesen.

Für den Arbeitgeber ist dies ein eleganter Weg, die Insolvenzmasse von Kosten für Abfindungen aus einem Insolvenzsozialplan freizuhalten. Er schlägt nämlich zwei Fliegen mit einer Klappe: Die gesetzlich ungedeckelten Abfindungen aus dem vorangegangenen Sozialplan „Stellenabbau“ fallen nicht mehr in voller Höhe, sondern stattdessen als Insolvenzforderungen an, und die gedeckelten Abfindungen aus einem Sozialplan „Insolvenz“ sind durch den erfolgten Personalabbau in ihrem maximalen Volumen geringer (§123 (1) InsO: max. 2,5 Bruttoentgelte aller betroffenen Arbeitnehmer), dürften aber tatsächlich weitaus geringer anfallen, da der große Personalabbau ja bereits erfolgt ist. Es kommt neben dem notwendigen dicken Fell dabei vor allem auf das richtige Timing und eine überzeugende Werbekampagne an. Schließlich sollen zu einem noch insolvenz-unverdächtigem Zeitpunkt möglichst viele Arbeitnehmer im Rahmen der Sanierungsmaßnahmen das Aufhebungsangebot annehmen, um dann kurz vor Auszahlung die Insolvenz anzumelden. Wenn dann der Personalabbau bereits weitgehend erfolgt ist, dürfte ein potentieller Übernehmer erfreut sein, wenn er hört, dass die Gläubiger des Unternehmens aufgrund der jetzt größeren Masse eine höhere Quote auf ihre Forderungen bekommen (die abgebauten Arbeitnehmer natürlich auch, aber eben weit unter dem vollen Umfang). Bessere Startbedingungen nach einer Insolvenz kann es kaum geben, der Kaufpreis dürfte entsprechend ansteigen.

Für Arbeitnehmer unterstreicht dieses Urteil nochmals die Notwendigkeit, Aufhebungsvereinbarungen nur dann zu unterzeichnen, wenn die Zahlung der Abfindung gesichert ist. In der Praxis hat es sich bewährt, wenn der beratende Anwalt ein Treuhandkonto einrichtet, auf das die Abfindung VOR Unterzeichnung überwiesen wird.

Betriebsräte müssen immer dann, wenn sie eine Vereinbarung mit dem Arbeitgeber schließen, aufgrund derer die Arbeitnehmer in Vorleistung gehen, auf die notwendige Insolvenzsicherung achten. Dies gilt nicht nur bei langlaufenden Arbeitszeitkonten, wo dies seit einiger Zeit durch das „Flexi-II“-Gesetz zum SGB IV sogar vorgeschrieben ist, sondern auch und gerade bei Sanierungssozialplänen. Im Insolvenzfall hilft es jedoch kaum, wenn der Betriebsrat versucht, besonders fix zu sein, um die per Aufhebung abgebauten Arbeitnehmer noch in den Insolvenzsozialplan „mit hinein nehmen“ zu können. Da sie nicht aufgrund einer Betriebsänderung wegen der Insolvenz ausscheiden, sondern wegen der vorangegangenen Betriebsänderung „Personalabbau“, dürfen sie auch nicht zur Ermittlung der absoluten Höchstgrenze für den Abfindungstopf des Insolvenzsozialplanes hinzugezogen werden (vgl. Braun: InsO, §123 (1), RN 4). Der Betriebsrat könnte also nur überlegen, ob er den von der Insolvenzbetriebsänderung betroffenen KollegInnen etwas wegnimmt, um es den besonders hart getroffenen KollegInnen zu geben. Ob bei den erwartbar geringen Summen noch genügend Solidarität vorhanden ist, müsste sich erst zeigen.

Insolvenz nach Plan bei Schlecker: Fiese Falle für Arbeitnehmer

von Mediator und Coach Sebastian Schoberansky

Was ergoss sich doch alles an Häme über die Familie Schlecker, als deren Drogeriekette vor Kurzem Insolvenz anmelden musste. Auch wenn am Ende alle gewusst haben, dass man mit diesem Konzept und dieser Führung nicht auf einen grünen Zweig kommen kann, so stellt sich jetzt doch die Frage, ob bei den Rettungsversuchen nicht schon wieder gravierende Fehler gemacht werden.  Weiterlesen