Das Richtige tun. Geht nicht nur in Gambia!

von Mediator und Coach Sebastian Schoberansky

 

Auch wenn Sie es dank der Planungsfunktion von WordPress nicht gemerkt haben: Ich war in den vergangenen 3 Wochen in Norwegen und habe dort in der Einsamkeit des Fjells (u.a. Hardangervidda, Hardangerjökulen, Setesdalenheiene) neue Eindrücke und geistige Entspannung gesucht.

Und gefunden! Wandern mit Zelt, Isomatte, Kocher und Leichtnahrung mag zwar körperlich beschwerlich sein (immerhin kommen bei mehrtägigen Touren schnell mal 20 Kilo und mehr zusammen), aber nach einigen Stunden stellt sich eine wohlige Geh-Trance ein, in der man sein Unbewusstes wunderbar für sich arbeiten lassen kann.

Was gleichzeitig ganz offenkundig die Bereitschaft erhöht, besondere Menschen zu treffen. Auf der Gaukhei-Hytta wollten wir eigentlich nur eine kurze Mittagsrast bei einem Kaffee machen. Doch wir trafen auf David und so wurde aus einem kurzen Zwischenstop 90 Minuten nachdenklich stimmender Inspiration.

David begrüsste uns schon auf den letzten Metern zur Hütte
ganz unnordisch lautstark und offerierte uns seine Gastfreundschaft. Wie sich nämlich herausstellte, war er der Hüttenwirt- und zwar ein ganz besonderer. Name und akzentfreies Englisch brachten uns automatisch zu der Frage seiner Herkunft und damit waren wir schon mitten im Gespräch, noch ohne einen einzigen Schluck Kaffee getrunken zu haben.

David ist ein nach Gambia ausgewanderter Brite, der vor zehn Jahren sein Leben als Finanzberater hinter sich gelassen hat, um in Gambia etwas Richtiges, Gutes und Faires zu tun. Da saß nun ein Doppelgänger von Daniel Craig alias James Bond (aber eher smart-relaxed als smart-gefährlich) und erzählte von einem Urlaub in Gambia, nach dem ihm das Verhältnis zwischen dem „obszönen Geld“ der Londoner Finanzwelt und einem Abendessen in Gambia, das ihn „Peanuts“ kostete und einen Gambianer einen ganzen Monatslohn gekostet hätte, nicht mehr aus dem Kopf ging.

Als klar war, dass mit seinem bisherigen (Erwerbs-)Leben etwas Grundlegendes nicht stimmte, dauerte es nur 10 Monate bis zum fertigen Businessplan, dem Verkauf des Hauses in England und dem Erwerb von Land in Gambia. Und da er in seinem „Project Statement“ etwas von gut, fair, nachhaltig und menschenwürdig geschrieben hatte, führte der Weg direkt zur ersten Eco-Lodge in Gambia (www.footstepsgambia.com). Komplette Energieerzeugung durch Solar- und Windkraft, Bio-Food aus dem eigenen Garten und faire Löhne für die einheimischen Angestellten machten ihn damals zu einem Pionier des nachhaltigen Tourismus.

Heute bewirtschaftet er im Sommer der Nordhalbkugel verschiedene Norwegische Hütten und hält als Gastlektor Vorlesungen vor norwegischen Studenten über nachhaltigen Tourismus („Ich erzähle eigentlich nur, was ich gemacht habe. Und das, obwohl ich selbst nie ein College besucht habe!“). Und weil er so glaubwürdig in seinem Engagement ist, soll er in einem Nachbarland Gambias eine weitere Eco-Lodge aufbauen.

Da lebt also einer seinen Traum. Der ist ihm nicht in den Schoß gefallen und sicherlich werden ihm etliche Fähigkeiten (und Geld!) aus seinem früheren Leben eine große Hilfe gewesen sein. Aber er strahlt mit jeder Pore aus, dass er nun das Richtige tut, dass er mit sich, der Welt und dem, was er darin tut, im Reinen ist.

Er wirkt weich, wach, authentisch und kongruent und ist gut im Kontakt, ohne eine Sekunde aufdringlich zu sein. Seine fast kindliche Begeisterung, wenn er beschreibt, wie alles schlüssig ineinander greift, wenn man die Dinge ausbalanciert, ist ansteckend. Seine Beschreibung der Menschen in europäischen Großstädten, die er ab und an aufsuchen muss, als Menschen unter Hochspannung wie von Elektroschockern, ist treffend und macht uns sehr nachdenklich.

Müssen wir so komplett aussteigen, wenn uns die Spannung zwischen unserem tatsächlichen Tun und unseren Vorstellungen von Moral und Ethik mal wieder kaum auszuhalten vorkommt? Müssen wir wirklich vom Saulus zum Paulus werden, wenn wir andere durch unser Handeln nicht mehr schädigen wollen? Ich denke, nein!

In vielen Berufen bewirkt das Tun überwiegend Gutes für einzelne Menschen wie für die Gesellschaft insgesamt. Gleichwohl erleben wir einzelne Menschen in bestimmten Positionen und in ganzen Branchen, bei denen ich mich frage, ob diese Menschen vollständig das innere Gespür für Anstand und Fairness gegenüber den Mitmenschen und der Welt verloren haben. Sie handeln so, als wären sie unverwundbar, während ihnen gleichzeitig die Auswirkungen, die über ihren eingeschränkten Gesichtskreis hinausgehen, egal zu sein scheinen.

In früheren überschaubareren dörflichen und kleinstädtischen Strukturen konnte anstandsloses und unfaires, selbstgefälliges Handeln kaum unentdeckt erfolgen, meldete einem seine Umgebung recht schnell zurück, was sie davon hielt. In unserer heutigen anonymen globalisierten Welt kann in der allgemeinen Unübersichtlichkeit vieles weggeschummelt werden, so dass ein Feedback dazu nicht mehr so direkt und unmittelbar erfolgen kann. Es scheint dadurch bei vielen der Eindruck zu entstehen, sie könnten sich unentdeckt und ungestraft so einiges herausnehmen. Gleichwohl bleibt Handeln niemals ohne Auswirkungen. Manchmal erfolgt das Feedback in fast unscheinbarer Form (wie z.B. durch langsame Umweltveränderungen) und manchmal droht es ganze Länder und Kulturen hinwegzufegen (wie z.B. die Finanz- und Bankenkrise).

Ich denke, es wäre schon viel gewonnen, wenn auch scheinbar sankrosankte Menschen in Führungspositionen oder sogen. systemrelevanten Branchen sich bei einigen ihrer täglichen Entscheidungen oder Handlungen einmal fragten, ob deren Auswirkungen noch den Ansprüchen von Fairness und Anstand genügen, ob sie schlichtweg ausreichend Gutes in der Welt bewirken.

Wer sich morgens vor dem Spiegel bei der Vorstellung, ob er in 30 Jahren bei der Frage, ob er damals (also heute) das Richtige getan hat, nicht mehr sicher und fest selbst in die Augen schauen kann, sollte dringend über eine Veränderung nachdenken. Man muss nicht unbedingt Konstruktivist sein, um zu wissen, dass sowieso alles zu einem zurückkommt.

Kuschelkulturen: Wenn Gutes lähmt

von Mediator und Coach Sebastian Schoberansky

In letzter Zeit bin ich mit einigen Betrieben in Kontakt gekommen, die auf den ersten Blick eine ausgesprochen freundliche, ja familiäre Umgangskultur erkennen ließen. Als unvoreingenommener Besucher hätte ich mich dort sicher sofort sehr wohl gefühlt, doch die, die mich angesprochen hatten, berichteten von bestimmten Problemen, so dass ich besonders wachsam auf Unstimmigkeiten und Brüche im schönen Bild achtete.   Weiterlesen