Viele Betriebe haben die erste Coronawelle auch dank der staatlichen Hilfsprogramme überlebt. Doch selbst wenn uns ein zweiter Lockdown, den wohl viele nach eigener Aussage ganz sicher nicht überstehen würden, erspart bleibt, so werden die wirtschaftlichen Folgen mit Auslaufen der zahlreichen Erleichterungen zum Ende dieses Jahres nur um so härter zuschlagen. Wer für dieses Szenario gut aufgestellt sein will, muss sich jetzt kümmern.
Arbeitsrechtsschutzversicherung abschließen!
Wer als Arbeitnehmer im Ernstfall seine Rechte wirksam wahrnehmen will, braucht heutzutage eine Rechtsschutzversicherung, die auch Arbeitsrecht mit abdeckt. Im Arbeitsrecht besteht nämlich die Besonderheit, dass in der ersten Instanz jede Seite ihre Kosten selbst tragen muss, unabhängig vom Ergebnis. Erst ab der zweiten Instanz zahlt der Verlierer neben seinen eigenen auch die Kosten des Gewinners. Daher lohnt es sich, eine Rechtsschutzversicherung abzuschließen, welche auch Arbeitsrecht abdeckt. Meistens kann man die auch im Paket mit der Hausratversicherung abschließen und dann kostet die etwa EUR 100 pro Jahr. Wichtig: Bitte keinen Selbstbehalt/-beteiligung vereinbaren, da es in der Praxis z.B. bei einem Kündigungsstreit fast immer auch Folgestreitereien (z.B. über das Zeugnis) gibt, die die Versicherung als einzelne Fälle betrachtet und so dann immer den Selbstbehalt haben will. So sind dann schnell mal EUR 1000 beisammen, so dass sich die etwas günstigere Prämie eigentlich nicht lohnt. Wichtig in der Praxis: Die meisten Versicherungen haben eine Wartezeit zwischen Beitritt und erstem Fall von 3-6 Monaten. Da sind schon viele böse erwacht, wenn sie sich das Geld sparen und dann im Ernstfall noch aufspringen wollten. Ebenso wichtig: Gewerkschaftlicher Rechtsschutz ist zwar im Regelfall im Mitgliedsbeitrag enthalten, jedoch entfällt bei den meisten Gewerkschaften die freie Anwaltswahl.
Offene Forderungen begleichen lassen!
Arbeitnehmer gelten im Falle einer Insolvenz als nachrangige Gläubiger. Dies bedeutet in der Praxis, dass etwaig bestehende Forderungen erst dann aus der Insolvenzmasse befriedigt werden, wenn alle anderen Gläubiger ihr Geld bekommen haben. Wer schon einmal eine Insolvenz mitgemacht hat, der weiß, welche Dynamiken auch hinter den Kulissen entstehen können und dass man als Arbeitnehmer in diesem Spiel bzw. in der Gläubigerversammlung meist ziemlich schwach dasteht. Daher sollte man als Arbeitnehmer, sofern eine Insolvenz drohen könnte, frühzeitig dafür sorgen, dass eigene Forderungen und Ansprüche erfüllt werden!
- Arbeitszeitguthaben auszahlen lassen oder rechtzeitig entsprechenden Freizeitausgleich nehmen
- Bestehende Urlaubsansprüche realisieren
- Insolvenzsicherung langlaufender Arbeitszeitkonten nachweisen lassen
- Von der Krankenkasse die Abführung der Sozialabgaben nachweisen lassen
- Ausstehenden Lohn, Zuschläge, Boni und sonstige Zusatzleistungen einfordern
- Zahlung variabler Entgeltbestandteile vor Jahresende sicherstellen
- Verauslagungen für Reisekosten, Dienstkleidung, Home-Office-Ausstattung etc. erstatten lassen
- Ersatzbeschaffung für Dienstwagen, -handy usw. vorbereiten
Betriebsrat gründen!
Bei einer Insolvenz stehen Arbeitnehmer ohne Betriebsrat ziemlich nackt da und sind dem Handeln des Insolvenzverwalters bzgl. eines etwaigen Übernehmers ausgeliefert. Ihr Schutz ist gering, die Einflussmöglichkeiten gehen gegen Null. Nur ein Betriebsrat kann rechtlich wirksam gestaltend eingreifen und damit auch den Interessen der Arbeitnehmer in diesem dynamischen Prozess zur Geltung verhelfen. Wer jetzt noch keinen Betriebsrat hat, sollte schnell handeln: In einem Betrieb bis 50 Arbeitnehmer braucht es mindestens fast 4 Wochen bis zum handlungsfähigen Betriebsrat, in größeren Betrieben im Regelfall mindestens etwa 7 Wochen, etwaige Vorbereitungshandlungen jeweils noch nicht eingerechnet. In der Praxis kann man eher von 1,5 und 2 bis 2,5 Monaten ausgehen. Und dann muss sich der neugewählte Betriebsrat erst noch für seine Aufgaben fitmachen lassen, sonst wird er ab kommendem Jahr von den Ereignissen schlichtweg überrollt.
Was brauchen Sie, um einen Betriebsrat zu gründen?
- Mindestens 3 wählbare Arbeitnehmer, die zur ersten Wahlversammlung zur Wahl eines Wahlvorstandes einladen (sogen. Einladende Stelle).
- Mindestens 3 wählbare Arbeitnehmer, die sich in den Wahlvorstand wählen lassen (können auch die Arbeitnehmer aus der Einladenden Stelle sein und ist auch empfehlenswert).
- Mindestens einen wählbaren Kandidaten, der dann auch mindestens eine gültige Stimme bekommt (Kandidat kann auch aus den Reihen der Einladenden Stelle und/oder des Wahlvorstandes kommen; zu wenige Kandidaten zu haben ist unschädlich).
- Eine Einladende Stelle und einen Wahlvorstand, die beide möglichst alles richtig machen, da ansonsten die Wahlanfechtung mit Nichtigkeitsfeststellung droht (Betriebsrat hat dann nie wirklich existiert, alle bisherigen Handlungen sind unwirksam).
- Ihr Engagement, Ihre Werte und Überzeugungen, Ihre Standfestigkeit und Ihre Genauigkeit.
Was brauchen Sie nicht?
- Die Zustimmung ihres Arbeitgebers (die Wahl eines Betriebsrats ist ausschließlich Sache der Arbeitnehmer).
- Die Zustimmung der Mehrheit Ihrer KollegInnen (es reichen im Zweifel die oben genannten 3 wählbaren Arbeitnehmer aus).
- Doppelt so viele KandidatInnen, wie nach dem Gesetz in den Betriebsrat zu wählen sind (wenn es weniger KandidatInnen gibt, wird auf die nächst niedrigere Stufe reduziert bis hinab zum einköpfigen Betriebsrat).
- Eine von Ihrem Arbeitgeber erstellte Wählerliste (der Wahlvorstand erstellt die Wählerliste selbst und kann im Zweifel eigene Nachforschungen anstellen).
- Personenwahl / ganz viele und große Listen (die Arbeitnehmer entscheiden durch ihre Wahlvorschläge, welches Wahlverfahren angewendet wird; es gibt kein Wunschkonzert für KollegInnen, Wahlvorstand oder Arbeitgeber!)
- Einen vom Arbeitgeber im Betrieb zur Verfügung gestellten Raum als Wahllokal (im Zweifel kann die Wahl auch auf dem Betriebsparkplatz durchgeführt werden und Briefwahl ist ja auch möglich).
- Eine gute Wahlbeteiligung (eine Mindestbeteiligung ist für die Gültigkeit nicht vorgeschrieben, eine Wahlpflicht besteht nicht).
- Eigenes Geld und Ihre Freizeit (die Kosten der Wahl trägt der Arbeitgeber, die Tätigkeiten finden idR in der Arbeitszeit statt).
- Eine Gewerkschaft (der Wahlvorstand entscheidet selbst, ob er sich von einer Gewerkschaft oder sonstwem unterstützen lassen will).
Was haben Sie?
- Kündigungsschutz:
- Einladende Stelle (3 Personen): Ab Aushang der Einladung bis Bekanntgabe Endergebnis
- Wahlvorstand: Ab Bestellung/Wahl bis 6 Monate nach Bekanntgabe Endergebnis
- Wahlbewerber: Ab Aufstellung des Wahlvorschlages bis 6 Monate nach Bekanntgabe Endergebnis
- Betriebsratsmitglied: bis ein Jahr nach Ende der Amtszeit
- Behinderungsschutz: Wer die Wahl behindert oder stört oder die Mitglieder der damit befassten Organe benachteiligt, kann bis zu einem Jahr ins Gefängnis wandern.
- Kostentragungsanspruch: Die Kosten der Wahl trägt der Arbeitgeber.
- Freistellungsanspruch: Die Teilnahme an der Wahl bzw. die Tätigkeit für den Wahlvorstand findet in der Regel während der Arbeitszeit statt.
- Schulungs- und Beratungsanspruch: Wer die nötigen Kenntnisse zur Durchführung einer ordnungsgemäßen Wahl als Wahlvorstand nicht hat, kann sich auf Kosten des Arbeitgebers während der Arbeitszeit schulen lassen.
- Den Gesetzgeber hinter sich (dieser betrachtet einen Betrieb mit Betriebsrat als den Normalfall).
Sich als Betriebsrat für mögliche Betriebsänderungen und für Beschäftigungssicherung fit machen lassen!
Wenn die Krise zuschlägt, ist es meist zu spät. Wer die Beschäftigung seiner KollegInnen sichern will, muss früher anfangen, innerhalb eines umfassenden Konzeptes seinen Beitrag für die Wettbewerbs- und Überlebensfähigkeit seines Betriebes zu leisten. Dafür gibt es für den Betriebsrat viele Ansatzpunkte, die es zu kennen und geschickt einzusetzen gilt. Dafür ist jetzt der beste und vielleicht auch späteste Zeitpunkt.Wenn aber der GAU schon eingetreten ist, dann heißt es, kompetent und durchsetzungsstark die Interessen der ArbeitnehmerInnen zu vertreten, Maßnahmen wirksam mitzugestalten und die möglichen nachteiligen Folgen notwendiger Maßnahmen spürbar abzumildern. Eine Insolvenz geht dabei nur selten ohne größere Einschnitte und Umstrukturierungen vorüber, fast immer wird die Dimension einer Betriebsänderung erreicht, die die Beteiligung des Betriebsrats erfordert. Gut, wer schon früh das notwendige Wissen beisammen, eigene Konzepte und Ideen entwickelt und sein Verhandlungsteam zusammengestellt und trainiert hat. Denn das merken alle ganz schnell: Die Rechte des Betriebsrats sind das eine, die Kraft will aber auch wirksam auf die Straße gebracht werden. Das geht nur, wenn alle jetzt geforderten Ebenen bestmöglich entwick