Wirksam gegen Stalker vorgehen.

von Mediator und Coach Sebastian Schoberansky 

Das Miteinander der Menschen im Arbeitsleben wird nicht nur durch die Art der zu erledigenden Aufgabe, sondern in hohem Maße durch psycho-soziale Faktoren bestimmt, deren Beeinflussung die Unternehmen vor große Herausforderungen stellt. Mit der Einführung des AGG und entsprechender Rechtsprechung stehen Werkzeuge gegen Fehlverhalten wie Mobbing, sexuelle Belästigung, Stalking und allgemein Diskriminierung zur Verfügung, die jedoch nicht immer von den Beteiligten so wirksam eingesetzt werden, dass das angestrebte Ziel dauerhaft erreicht wird. Wichtige Hinweise liefert ein Urteil des BAG (Pressemitteilung) zum Thema Stalking. 

Laut Wikipedia ist Stalking das willentliche und wiederholte (beharrliche) Verfolgen oder Belästigen einer Person, deren physische oder psychische Unversehrtheit dadurch unmittelbar, mittelbar oder langfristig bedroht und geschädigt werden kann. Das Opfer wird dabei durch die seine Privatsphäre verletzenden Verhaltensweisen, die als angstauslösend, beklemmend, unerwünscht und grenzverletzend empfunden werden, in seiner Lebensgestaltung schwerwiegend beeinträchtigt.

Etliche der mit Stalking („Nachstellung“) einhergehenden Handlungen erfüllen Straftatbestände: üble Nachrede, Beleidigung, Nötigung, Bedrohung sowie Sachbeschädigung.

Das BAG hatte sich mit einem Fall des LAG Hessen (03.11.2010, 2 Sa 979/10) zu befassen, in dem sich ein Verwaltungsangestellter des Landes Hessen gegen seine außerordentliche fristlose Kündigung wegen Stalkens wehrte. Das BAG hat die Sache an das LAG, welches der Kündigungsschutzklage stattgegeben hatte, zurückverwiesen.

Die Besonderheit dieses Falles: Dem der fristlosen Kündigung zugrundeliegenden Fall ging ein weiterer Fall von Stalking desselben Arbeitnehmers voraus, in dessen Zuge es zu einem Beschwerdeverfahren nach §13 AGG kam. Schriftlich teilte die Arbeitgeberin im Anschluss dem Arbeitnehmer mit, dass die durch das Stalken beeinträchtigte Mitarbeiterin weder dienstlichen noch privaten Kontakt mit ihm wünsche und er diesen Wunsch vorbehaltlos zu respektieren habe. In dienstlichen Angelegenheiten habe daher die Kontaktaufnahme ausschließlich über Dritte zu erfolgen.

Diese Warnung hatte Erfolg, wobei BAG und LAG übereinstimmend festgestellt haben, dass die im Zusammenhang mit dem Beschwerdeverfahren ausgesprochene Warnung keine Abmahnung im Rechtssinne darstellt. Daher stellte sich im kündigungsrelevanten Fall die Frage, ob die Abmahnung ausnahmsweise hier entbehrlich war, um die fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Dies wurde aber vom LAG nach Ansicht des BAG nicht ausreichend geprüft. Das LAG wird also die Umstände des Einzelfalles u.a. dahingehend prüfen müssen, ob auch durch die Warnung im ersten Fall für den Arbeitnehmer sein rechtswidriges Verhalten ohne weiteres erkennbar sein musste und ob er das Stalking wider besseren Wissens hartnäckig und uneinsichtig fortgesetzt hat.

Das Urteil zeigt auf, welche Anforderungen an die Betriebsparteien in der Praxis gestellt werden, wenn sie gegen Stalking und andere Formen der Benachteiligung wirksam vorgehen wollen.

Das Beschwerdeverfahren nach §13 AGG kann nicht ersetzen, dass der Arbeitgeber auch die Erteilung einer Abmahnung in Erwägung zieht, wenn er die nach §12 (1) AGG geforderten geeigneten Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligung auswählt. Will er für den möglichen Wiederholungsfall arbeitsrechtlich wirksam androhen und warnen, so führt kaum ein Weg an einer ordnungsgemäßen Abmahnung vorbei. Etwaigen Argumentationen, eine Abmahnung sei unverhältnismäßig, kann der Arbeitgeber gelassen entgegensehen, wie wir bereits an anderer Stelle ausgeführt haben. Der Ball liegt jetzt in der Hälfte des Arbeitnehmers.

Idealerweise fährt der Arbeitgeber zweigleisig, in dem er neben der Abmahnung beiden Parteien die Gelegenheit gibt, ihre Sichtweise darzustellen und dabei auch den Betriebsrat in die Anhörung einbezieht. Dabei kann und sollte darauf verzichtet werden, die „Wahrheit“ herausfinden zu wollen. Diese meistens aussichtslose Aufgabe sollten sich Arbeitgeber und auch Betriebsrat nicht zumuten. Entscheidend ist vielmehr, aus den Vorträgen beider Seiten herauszufiltern, welches geeignete Maßnahmen zur Unterbindung von Benachteiligung in der vorliegenden Konstellation wie auch allgemein sein können. Dabei sollten unabhängig von einer augenscheinlichen Täter-Opfer-Konstellation alle Faktoren betrachtet werden, die benachteiligendes Verhalten begünstigen und letztlich ermöglichen können. (siehe auch unseren Artikel „Organisationsentwicklung: Lernen durch Abmahnung?„)

So kann neben den im akuten Fall notwendigen Schutzmaßnahmen auf der einen Seite und Sanktionsmaßnahmen auf der anderen Seite die Grundlage für ein Maßnahmenpaket geschaffen werden, welches für alle Arbeitnehmer zu einem wirksamen Gerüst für benachteiligungsfreien Umgang miteinander wird.

Der Vollständigkeit halber sei hier nochmals auf das Initiativrecht des Betriebsrats nach §87 (1) Nr.1 BetrVG bei der Aufstellung von Regeln bzgl. der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer genannt, welches auch ein MBR bei der Aufstellung von sogen. Ethik-Richtlinien oder Codes of Conduct umfasst. Ist der Ernstfall zum zweiten Mal durch denselben Arbeitnehmer eingetreten, kann der Betriebsrat nach §104 BetrVG die Entfernung des Arbeitnehmers verlangen. Und zuletzt sei der §17 (2) AGG genannt, der dem Betriebsrat die Möglichkeit gibt, arbeitsgerichtlich gegen den Arbeitgeber vorzugehen, wenn dieser z.B. keine geeigneten Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligung ergreift. Ziel eines solchen Antrags kann es durchaus sein, dem Arbeitgeber aufgeben zu lassen, in der Zukunft in allen solchen Fällen auch unabhängig von anderen Maßnahmen immer eine Abmahnung auszusprechen, damit im Wiederholungsfall die ggf. geeignete Maßnahme „außerordentliche fristlose Kündigung“ auch sicher genutzt werden kann.

Auch wenn die letzten beiden Maßnahmen auf den ersten Blick für manche nicht zum Selbstverständnis eines Betriebsrats gehören mögen, so muss darauf verwiesen werden, dass nach dem Willen des Gesetzgebers der Schutz vor Benachteiligung Vorrang und der Betriebsrat nach §17 (1) AGG und §75 BetrVG an der Verwirklichung dieses Schutzzieles mitzuwirken hat.

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