Leben und Arbeiten in Zeiten der Corona: Was Arbeitnehmer jetzt wissen wollen, Teil II

Im ersten Teil unserer Serie haben wir uns mit den auf dem Weg von und zur Arbeit auftretenden Fragen beschäftigt. Lesen Sie hier, wie Corona uns Arbeitnehmer bei der Arbeit beeinträchtigt, wenn es denn noch welche gibt.

 

Corona mit und ohne Arbeit

Ob nun durch erkrankte Mitarbeiter oder durch staatliche Anordnungen: Corona kann massive Einschränkungen der Leistungsfähigkeit von Unternehmen zur Folge haben oder ihnen die Absatzmärkte wegbrechen lassen. In China mussten ganze Betriebe in den betroffenen Regionen schliessen, worauf es wiederum zu Produktionseinschränkungen in Betrieben unbetroffener Regionen kam. In den USA wird nun die Frage diskutiert, wie die betroffenen Arbeitnehmer finanziell unterstützt werden können, wenn sie wegen Corona nicht arbeiten können. Dabei gilt doch auch in Deutschland der Grundsatz: Ohne Arbeit, kein Geld. Oder? 

„Ich bin an Corona erkrankt und kann nicht arbeiten.“ In Deutschland erhalten Sie dank des Entgeltfortzahlungsgesetzes für mindestens 6 Wochen ihr volles Gehalt vom Arbeitgeber weiterbezahlt, wenn Sie unverschuldet (!) so erkrankt sind, dass Sie nicht arbeitsfähig (im Sinne Ihrer vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung) sind, dies Ihrem Arbeitgeber unverzüglich mitgeteilt haben und ihm spätesten am vierten Tag der Arbeitsunfähigkeit (Achtung: Kann einzel- oder tarifvertraglich oder in einer Betriebsvereinbarung abgeändert werden!) ein ärztliches Attest vorgelegt haben. Fehlt es an der Bescheinigung oder haben Sie die Erkrankung durch eigenes Verhalten (mit-)verschuldet, kann Ihr Arbeitgeber die Lohnfortzahlung verweigern.

„Ich war kürzlich in Nord-Italien im Urlaub und bin trotz Kratzen im Hals zur Arbeit erschienen. Bin ich nicht ein aufopferungsvoller Arbeitnehmer?“ Ja, da wird sich wohl in der nächsten Zeit einiges bzgl. Ihrer Einstellung (und derer von Millionen anderer ArbeitnehmerInnen sowie vieler Arbeitgeber) ändern müssen. Angeblich bleiben ja die deutschen Arbeitnehmer schon bei der kleinsten Unpässlichkeit „krank“ zu Hause, die Weicheier. Nun, Corona wird uns allen klar machen, dass es zumindest bei ansteckenden Krankheiten verdammt gute Gründe gibt, ein „Weichei“ zu sein:

  • Wenn Sie sich bei einer unverschuldeten Erkrankung, die eigentlich Ihre Arbeitsunfähigkeit bedeuten würde, trotzdem zur Arbeit begeben, kann dies zu einer Verschlimmerung, zumindest aber zu einer Verzögerung des Genesungsprozesses führen, die Sie dann zu verantworten, also verschuldet haben. Wenn Sie dann so richtig schwer krank werden und sich die Sache elendig lange hinzieht, haben Sie ein Problem : Der Arbeitgeber kann Ihnen die Lohnfortzahlung verweigern, Sie abmahnen (weil Sie sein berechtigtes Interesse an einer baldigen Genesung bzw. Verfügbarkeit Ihrer Arbeitskraft geschädigt haben) und Sie aufgrund dieses vertragswidrigen Verhaltens schadenersatzpflichtig machen, wenn er deswegen Einbußen oder zusätzliche Aufwendungen (z.B. Einstellung einer Aushilfskraft) hatte.
  • Kann Ihnen Ihr Arbeitgeber nachweisen, dass Sie für seinen Betrieb der berühmte „Patient 0“ sind (er kannte Ihren Urlaubsort und hat Ihre fiebrigen Augen am zweiten Tag gesehen), und Sie stecken infolge Ihres pflichtwidrigen Erscheinens bei der Arbeit die halbe Belegschaft an, worauf Ihr Betrieb unter Quarantäne gestellt wird und der Betrieb eingestellt werden muss, kann Sie Ihr Arbeitgeber schadenersatzpflichtig machen. Wieviel Sie dann zahlen müssen, hängt davon ab, ob Ihnen bei Ihrem pflichtwidrigen Verhalten (Sie haben nicht alles zumutbare getan, um Schaden von Ihrem Arbeitgeber abzuwenden) leichte, mittlere oder schwere (grobe) Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann. Angesichts des allgemeinen Informationsstandes zu Corona dürfte wohl von Letzterem auszugehen sein. Übrigens: Ihre KollegInnen, die Sie freundlich mit „Na, die haben Dich ja wirklich raus und bei uns wieder reingelassen!“ begrüßen und Ihr gekrächztes „Ich bin halt sauber geblieben“ und Ihre glasigen Augen ignorieren, machen sich ggf. schadensersatzpflichtig, denn sie unterliegen einer Meldepflicht bzgl. drohender Schäden für Ihren Arbeitgeber und es muss ihm die Möglichkeit gegeben werden, seiner Fürsorgepflicht Ihnen gegenüber nachkommen zu können. Mit Petzen hat es also rein gar nichts zu tun, wenn Ihre KollegInnen Ihren Chef auf Ihren Zustand aufmerksam machen, sondern mit verantwortungsvoller Wahrnehmung von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberpflichten zu Ihrem Wohle (auch wenn Sie, weil Sie und viele andere im Betrieb vielleicht immer noch wie früher denken, das noch gar nicht so sehen können).

 

„Mein Chef hat uns alle nach Hause geschickt. Wie soll ich denn jetzt meine Miete zahlen?“ Wurden bei Ihnen eigentlich die ganzen Gewinne der vergangenen Jahre 1:1 an die Arbeitnehmer weitergegeben, oder war es nicht vielleicht doch so, dass Sie alle weiter Ihr übliches Gehalt bekommen haben, vielleicht mal einen Bonus oder eine Gehaltserhöhung? Nein, auf dem Gehaltszettel eines abhängig beschäftigten Arbeitnehmers spiegelt es sich in der Regel nicht unmittelbar wider, ob es ein fetter oder ein magerer Monat für den Betrieb war. Wieso sollte es also in Zeiten betrieblicher Einbußen durch z.B. Corona plötzlich anders sein? Richtig, das wirtschaftliche Risiko liegt fast vollständig in der Sphäre des Unternehmers, welches dieser nicht gegen Ihren Willen auf Sie abwälzen darf. Schliesslich haben Sie ja einen Arbeitsvertrag unterschrieben, der für eine bestimmte Arbeitszeit ein bestimmtes Entgelt vorsieht. Auf die Einhaltung dieses Arbeitsvertrages haben Sie Anspruch, solange Sie Ihrerseits den Vertrag einhalten, also Ihre Arbeitsleistung vertragsgemäß anbieten (auch wenn diese Ihrem Arbeitgeber derzeit nichts nützt). Fazit:

  • Sie sichern sich Ihren Vergütungsanspruch, wenn Sie sich nicht einfach nach Hause schicken lassen, sondern Ihre Arbeitsleistung wirksam und nachweisbar (!) anbieten. Lassen Sie sich von Ihrem Arbeitgeber schriftlich bestätigen, dass er von der Entgegennahme Ihrer Arbeitsleistung absieht, obgleich Sie ihm diese Arbeitsleistung angeboten haben. Wenn er dazu nicht bereit ist, sollten Sie im Zweifel lieber am Arbeitsplatz bis zum vereinbarten Arbeitsende bleiben und Ihren Arbeitgeber (nachweisbar) darum bitten, Ihnen Arbeit anzuweisen. Sichern Sie Beweise, machen Sie sich Notizen unter Nennung von Zeugen, schreiben Sie Ihre Arbeitszeiten auf. Achtung: In Ihrem Arbeitsvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung/einem Tarifvertrag kann für eine solchen Fall Abweichendes geregelt sein!
  • Ihr Arbeitgeber kann Sie in den Überstundenabbau schicken, sofern solche Stunden auf einem Arbeitszeitkonto vorhanden sind. Haben Sie einen Betriebsrat, muss dieser seine Zustimmung dazu erteilen. Wenn Sie selbst keine Überstunden abbauen wollen, sagen Sie es Ihrem Betriebsrat und fordern ihn auf, dem Abbau nicht zuzustimmen. Andere Arbeitszeitguthaben, die durch eine Guthabenvereinbarung definiert sind, können nur zu den dort aufgeführten Zwecken angetastet werden. Ist der Wertguthabenabbau zum Zwecke des Ausgleichs wirtschaftlicher Schwankungen nicht genannt, ist das Konto tabu.
  • Ihr Arbeitgeber kann versucht sein, Minusstunden zu schreiben. Sie haben einen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung, auch was die vereinbarte Wochenarbeitszeit anbetrifft. Bieten Sie Ihre Arbeitsleistung wie zuvor beschrieben an, verweisen Sie dabei auf Ihr Recht auf vertragsgemäße Beschäftigung, sichern Sie Beweise, kontaktieren Sie im Zweifel einen Rechtsanwalt. Haben Sie einen Betriebsrat, kann Ihre Arbeitszeit nicht ohne dessen Zustimnung verkürzt werden. Sind Sie damit nicht einverstanden: s.o.
  • Ihr Arbeitgeber kann Sie zwangsweise in den Erholungsurlaub schicken, sofern noch Tage Ihres Erholungsurlaubsanspruches vorhanden sind. Wenn Sie nicht damit einverstanden sind, hat er nicht Ihre berechtigten Interessen bei der Festlegung der zeitlichen Lage des Urlaubs berücksichtigt. Dies berechtigt Sie dazu, sich sogar gerichtlich gegen den Zwangsurlaub zu wehren, im Zweifel sogar kurzfristig im Wege einer einstweiligen Verfügung. Haben Sie einen Betriebsrat, können Sie diesen bitten, zur Klärung beizutragen, im Zweifel sogar in einer sogenannten Einigungsstelle (sehr teuer, hilft deswegen so gut wie immer).
  • Ihr Arbeitgeber kann versucht sein, Ihnen unbezahlten Urlaub zu geben. Auf unbezahlten Urlaub besteht in Deutschland kein genereller Rechtsanspruch, meistens findet sich ein solcher in Tarifverträgen oder aber in einem individuell ausgehandelten Arbeitsvertrag. Ohne eine solche Rechtsgrundlage ist es nicht möglich, Sie einseitig in den unbezahlten Urlaub zu schicken. Passiert es trotzdem, können Sie sich wie beim Erholungsurlaub dagegen wehren. Gibt es jedoch eine wirksame Rechtsgrundlage, hat auch hier der Betriebsrat wie beschrieben mitzubestimmen bzw. sind Ihre Interessen zu Berücksichtigen.
  • Kurzarbeit mit Kurzarbeitergeld nach SGB III: Zur Sicherung der Beschäftigung in Krisenzeiten hat der Gesetzgeber die Möglichkeit geschaffen, einen Teil des unvermeidbaren Arbeitsausfalls finanziell durch die Bundesanstalt für Arbeit ausgleichen zu lassen. Dazu bedarf es eines Antrages bei der BfA, den der Arbeitgeber oder aber auch der Betriebsrat stellen kann. Wichtig: Da durch die gesetzliche Kurzarbeit Ihre vertraglich geschuldete Arbeitszeit sowie Ihr entsprechender Lohnanspruch für eine bestimmte Zeit herabgesetzt werden, geht das auch wieder nur mit Ihrer Zustimmung oder der Ihres Betriebsrates. Dieser muss dazu eine Betriebsvereinbarung unterschreiben, sonst bleibt es für Sie bei Ihrer normalen Arbeitszeit. Lassen Sie sich also immer vorher den Bewilligungsbescheid der BfA und die unterschriebene Betriebsvereinbarung zeigen, bevor Sie ganz oder teilweise zuhause bleiben. Im Zweifel lassen Sie sich bitte fachlich beraten (Gewerkschaft, Anwalt,…), soviel Zeit ist immer. Achtung: Im Rahmen der Kurzarbeit müssen zunächst Arbeitszeitguthaben und bestehende Erholungsurlaubsansprüche nach den Regeln des §96 SGB III eingesetzt werden.
  • Werden Sie als Einzelperson auf Anordnung des Gesundheitsamtes in Quarantäne geschickt, haben Sie u. U. einen Entschädigungsanspruch nach § 56 Infektionsschutzgesetz. Die Höhe bemisst sich in den ersten 6 Wochen nach der Höhes Ihres Verdienstausfalles, danach entspricht diese Ihrem Krankengeldanspruch.

„Es werden immer noch Meetings und Versammlungen angesetzt. Muss ich da hingehen?“ Grundsätzlich unterliegen Sie weiterhin dem Weisungsrecht Ihres Arbeitgebers, der damit nach billigem Ermessen Zeit und Ort Ihrer Arbeitsleistung bestimmen kann. Wenn es zu Ihrer Arbeitsleistung gehört, an Meetings und Versammlungen teilzunehmen, können Sie diesen nicht einfach fernbleiben. Jedoch hat der Arbeitgeber Ihnen gegenüber auch eine Fürsorgepflicht und muss auch Ihre persönlichen berechtigten Interessen, z.B. in Bezug auf eine ungefährdete Gesundheit, bei seiner Entscheidung im Rahmen seines Weisungsrechtes berücksichtigen. Tut er dies nicht und Sie erleiden einen Gesundheitsschaden, macht sich Ihr Arbeitgeber unter Umständen schadenersatzpflichtig. Besteht für Sie unmittelbare Gefahr für Leib und Leben, dürfen Sie Ihre Arbeitsleistung verweigern und sich aus dem Gefahrenbereich so lange entfernen, bis Ihr Arbeitgeber für einen arbeitsschutzkonformen Arbeitsplatz gesorgt hat. Dies dürfte bei Corona der Fall sein, wenn einer Ihrer Kollegen erkennbare Symptome zeigt bzw. positiv getestet wurde und Sie zu einer der Hauptrisikogruppen gehören.

„Ich bin ins Home-Office geschickt worden. Muss ich jetzt den ganzen Tag an meinem eigenen Computer sitzen?“ Nach §106 BGB kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit Ihrer Arbeitsleistung nach billigem Ermessen bestimmen, sofern Ihr Arbeitsvertrag oder eine Betriebsvereinbarung, ggf. sogar ein Tarifvertrag nicht schon Näheres dazu bestimmt. Wenn also z.B. in Ihrem Arbeitsvertrag als Leistungserfüllungsort Ihr Betrieb genannt ist, braucht es eine Vertragsänderung (einvernehmlich oder durch Änderungskündigung). In einer Betriebsvereinbarung werden regelmässig die Arbeitszeiten und die vorübergehende Verlängerung oder Verkürzung festgelegt, in einem Tarifvertrag die grundsätzlich geschuldete Dauer. In beiden kann auch das Thema Home-Office geregelt sein. Home-Office muss also durch eine der drei genannten Regelungswerke möglich gemacht (bzw. nicht ausgeschlossen) sein, damit Ihr Arbeitgeber Sie wirksam zum Arbeiten nach Hause schicken kann. Allerdings ist Ihr Arbeitgeber dazu verpflichtet, Ihnen die zur Erfüllung Ihrer geschuldeten Leistung erforderlichen Arbeitsmittel zu Verfügung zu stellen. Sie brauchen nicht Ihren privaten Computer einzusetzen, denn im Zweifel können Sie auch nicht dazu verpflichtet werden, einen solchen (oder ein Telefon, Tablet, …) anzuschaffen oder, wenn vorhanden, einzusetzen. Niemand kann dazu verpflichtet werden, einen Internetanschluss zu haben bzw. einen solchen für dienstliche Zwecke zur Verfügung zu stellen. Hier sollte der Arbeitgeber alles zur Verfügung stellen, was er im Betrieb auch schon zur Verfügung stellen muss und tut. Und schon allein aus datenschutz- und haftungsrechtlichen Gründen sollten Sie davon absehen, Ihren privaten Computer, auf dem auch Ihre Kinder und Sie selbst surfen und auf dem Ihre ganzen privaten Dateien gespeichert sind, für dienstliche Zwecke einsetzen. Dies gilt insbesondere, wenn Sie z.B. durch einen VPN-Tunnel auf das betriebliche Netzwerk zugreifen. Wenn Sie dabei (unwissentlich) das betriebliche Netzwerk mit Malware infizieren und dadurch ein Schaden für Ihren Arbeitgeber entsteht, kann er Sie dafür haftbar machen.

Sie sollten desweiteren darauf achten, Arbeit und Privates zeitlich und räumlich voneinander zu trennen. Es gelten nämlich weiterhin die Vorschriften zum Arbeitsschutz, die selten erfüllt sind, wenn der Dienst-Laptop auf dem Küchentisch aufgeklappt wird. Und versicherungsrechtlich wird es ganz kompliziert, wenn Sie mal eben aus Ihrem (hoffentlich arbeitsschutzkonform eingerichteten) Arbeitszimmer nach nebenan ins Kinderzimmer gehen, um Ihrem Sohn die Nase zu putzen, und Sie sich dabei den Fuss verknacksen. Dies dürfte wohl kaum als Arbeits- oder Wegeunfall von der Berufsgenossenschaft getragen werden, denn es war nicht zur Erbringung der Arbeitsleistung erforderlich.

Fazit: Wenn es nicht schon Ihr Betriebsrat für Sie getan hat, so sollten Sie mit Ihrem Arbeitgeber eine Vereinbarung zur Ausstattung, Entschädigung privater Bereitstellung und Haftung abschliessen, die Sie im Zweifel nicht auf allen Kosten und Risiken sitzen lässt.

 

Lesen Sie demnächst an dieser Stelle unseren dritten Teil:

Was der Betriebsrat tun kann.

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