Verfassungsgericht: Ein guter Tag für die Demokratie – auch in den Betrieben

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel gegen das Neutralitätsgebot zuungunsten der AfD verstoßen hatte, als sie sich zuerst auf einer Pressekonferenz in Südafrika, wo sie auf Dienstreise als Kanzlerin weilte, und danach entsprechend auf den Internetseiten der Bundeskanzlerin und der -regierung zur Wahl des Thüringischen Ministerpräsidenten Kemmerich geäußert hatte. Das Gericht hob unter anderem auf eine unzulässige Verquickung von Amt bzw. dessen Ressourcen mit einer persönlichen Meinungsäußerung ab. Dies ist durchaus auch bedeutsam für Betriebsräte bzw. deren Vorsitzende.

Das Bundesverfassungsgericht hat dankenswerter Weise klar gestellt, worauf wir seit Jahren gegenüber Betriebsräten und vor allem Wahlvorständen hinweisen: Es kommt darauf an, welchen Hut man gerade auf hat!

Arbeitnehmer:innen können in der betrieblichen Praxis durchaus mehrere „Hüte“ auf haben, wenn sie sich über ihre arbeitsvertraglich niedergelegte Position hinaus in weiteren Aufgaben/Ämtern engagieren. So kommt es durchaus häufig vor, dass sie nicht nur Betriebsrats-, sondern auch Gewerkschafts- und Wahlvorstandsmitglieder sind und ggf. sogar für den neuen Betriebsrat als Kandidat:in antreten. Wir erleben es dabei immer wieder, wie die jeweilige Interessenlage aus der einen Rolle die Wahrnehmung der Aufgaben und Pflichten aus der anderen Rolle einzufärben, wenn nicht zu beeinträchtigen droht. Daher gilt auch im Betrieb, was das Verfassungsgericht jetzt sehr deutlich gemacht hat: Wer ein Amt inne hat, darf dies nicht mit anderen, sachfremden Interessen verquicken!

Für den Wahlvorstand bedeutet dies, dass er weder Werbung für die Wahl an sich noch für bestimmte Kandidat:innen machen darf. Auch die Höhe der Wahlbeteiligung ist für ihn nicht von Interesse. Wahlvorschläge hat er neutral zu prüfen, auch wenn diese von der „Konkurrenz“ sind. Er hat die Wähler:innen unterschiedslos über die Wahl in Kenntnis zu setzen und allen neutral die Möglichkeit zur Kandidatur und zur Stimmabgabe zu geben. Nicht nur das Wahlergebnis im Detail, ja sogar die Frage, ob die Wahl überhaupt stattfinden kann, weil ggf. gar keine gültigen Wahlvorschläge eingereicht wurden, ist für ihn ohne Bedeutung.

Der Betriebsrat ist dagegen viel freier, jedoch müssen die Mitglieder auch hier ein paar Regeln beachten:

Der Vorsitz hat den Betriebsrat im Rahmen der vom Gremium gefassten Beschlüsse zu vertreten. Dies bedeutet, dass alle darüberhinaus gehenden Äußerungen Privatmeinung und als solche zu kennzeichnen sind (Die Kanzlerin hatte eben versäumt, einen solchen „Hutwechsel“ für alle kenntlich zu machen.)

Betriebsratsmitglieder dürfen zwar ihr ggf. abweichendes Abstimmungsverhalten gegenüber ihren Kolleg:innen benennen, dies sollte aber nicht unter Nutzung der offiziellen Kommunikationskanäle des Betriebsrats erfolgen. Die Werbung für eine Gewerkschaft oder politische Partei ist dem Betriebsrat und seinen Mitgliedern unabhängig von der etwaig gewählten Ressource gänzlich verboten. (Es ist jedoch unschädlich, wenn der „BR-Hut“ abgesetzt und z.B. gewerkschaftliche Betätigung außerhalb der BR-Tätigkeit vorgenommen wird).

Im Rahmen einer Betriebsratswahl hat der Betriebsrat den Wahlvorstand zu bestellen und sich ansonsten aus der Wahl heraus zu halten. Es ist keine erforderliche Aufgabe des Betriebsrats, auf einer Sitzung eine „BR-Liste“ zu erstellen, Werbung für die Wahl an sich oder bestimmte Kandidat:innen zu machen oder sonstwie dem Wahlvorstand seine Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Einzig eine neutrale Information zur Wahl an sich z.B. auf einer Betriebsversammlung ist denkbar.

Missstände im Betrieb muss der Betriebsrat immer zuerst betriebsintern zu lösen versuchen. Erst, wenn seine Versuche vergeblich bleiben, kann er externe Dritte einschalten (z.B. Aufsichtsbehörden, Gerichte). Auf keinen Fall ist es eine Aufgabe des Betriebsrats, die Öffentlichkeit z.B. über die Presse zu informieren. Dies sollte er lieber den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften überlassen.

Werden Betriebsratsmitglieder von ihren Kolleg:innen außerhalb z.B. der Sprechstunde angesprochen, dürfen sie entscheiden, ob sie spontan in die Rolle des Betriebsrats schlüpfen wollen. Es sollte daher immer dafür gesorgt werden, dass das Gegenüber eindeutig weiß, mit wem (sprich: mit welcher Rolle/Funktion) es gerade zu tun hat.

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