Betriebsratswahl: Achtung neue Wahlvorschriften!

Die (Noch-) Bundesregierung ist in den letzten Monaten ihrer Amtszeit nicht untätig geblieben und hat mit dem Betriebsrätemodernisierungsgesetz (BRModG) im Sommer und im Oktober mit einer Änderungsverordnung zur Wahlordnung einige wesentliche, aber auch viele kleinere Veränderungen vorgenommen, die sich unmittelbar auf die anstehenden turnusmäßigen Betriebsratswahlen in 2022 auswirken und deshalb von allen Wahlvorständen gekannt und angewendet werden müssen.

Wir wollen hier an dieser Stelle einen Überblick über die wichtigsten Änderungen geben. Die Details wird jeder Wahlvorstand dann vor dem laufenden Wahlverfahren entsprechend lernen oder vor den einzelnen Handlungsschritten im Verfahren nachschlagen müssen. Hierzu sind unter www.gesetze-im-internet.de unter dem Buchstaben „B“ beim Kürzel „BetrVG“ bzw. „BetrVGDV1WO“ die aktuellen Vorschriften zu finden.

Herabsetzung des Wahlalters: Das aktive Wahlrecht steht Arbeitnehmer:innen jetzt auch schon ab 16 Jahren zu.

Ausdehnung des „Vereinfachten Wahlverfahrens“: In Betrieben bis 100 Wahlberechtigten ist dieses Wahlverfahren zwingend, in Betrieben bis 200 Wahlberechtigten kann das „Vereinfachte Wahlverfahren“ angewendet werden.

Verringerte Zahl der erforderlichen Stützunterschriften: In Kleinbetrieben bis 100 Wahlberechtigte stufenweise Verringerung bis auf Null.

Verringerung der Anfechtungsgründe: Anfechtung wegen fehlerhafter Wählerliste bei bestimmten Gründen nur noch unter Vorbedingungen möglich.

Digitale Sitzungen des Wahlvorstandes: Schaffung der grundsätzlichen Möglichkeit zu digitalen Sitzungen bei gleichzeitigem Ausschluss für bestimmte Sitzungen bei bestimmten Schritten im Wahlverfahren.

Ausweisung des fehlenden passiven Wahlrechts: Neben den Leih-Arbeitnehmer:innen müssen jetzt auch die minderjährigen Wahlberechtigten als nicht passiv wahlberechtigt (nicht wählbar) in der Wählerliste ausgewiesen werden.

Ende von Fristen: Der Wahlvorstand hat jetzt beim Fristende die Uhrzeit anzugeben und kann dabei von den Vorschriften des BGB abweichen.

Wahlausschreiben an Abwesende: Wahlberechtigte, die wegen der Eigenart ihre Beschäftigungsverhältnisses voraussichtlich Briefwahl werden machen müssen, ist das Wahlausschreiben mit Erlass zwingend zuzusenden.

Ergänzung der Wählerliste: Die Wählerliste ist laufend bis Abschluss des Wahlvorganges aktuell zu halten.

Keine Vorschlagslisten beim „Vereinfachten Wahlverfahren“: In Betrieben bis 100 Wahlberechtigten (bzw. in Betrieben bis 200 Wahlberechtigten nach Vereinbarung des „Vereinfachten Wahlverfahrens“) werden keine Vorschlagslisten mehr aufgestellt und eingereicht. Die entsprechenden Wahlvorschriften §§ 6 – 23 WO sind entsprechend in diesen Fällen nicht anzuwenden.

Keine Wahlumschläge: Stimmzettel werden ohne Umschlag in die Wahlurne eingeworfen.

Briefwahlunterlagen initiativ an Abwesende: Auch andere voraussichtlich Abwesende als diejenigen „aufgrund der Eigenart ihres Beschäftigungsverhältnisses“ (z.B. wg. Langzeiterkrankung, Elternzeit, Sabbatical, Auslandseinsatz, Abordnung, Versetzung usw.) werden vom Wahlvorstand initiativ mit Briefwahlunterlagen versorgt.

Einwurf der Briefwahlumschläge: Die eingegangenen Briefwahlunterlagen werden erst zu Beginn der öffentlichen Stimmenauszählung geöffnet.

Kommentar zum Wegfall der Wahlumschläge bzw. zu dem diesbezüglichen Umgang mit Stimmzetteln bei der Briefwahl: Der durch die Presse gegangene Vorfall bei der Stimmabgabe durch den CDU-Kanzlerkandidaten Armin Laschet, bei dem der Stimmzettel so gefaltet wurde, dass das Abstimmungsverhalten erkennbar war, hat noch einmal deutlich gemacht, wie schnell der Grundsatz des Wahlgeheimnisses gefährdet sein kann. Dieses Problem wird durch die neuen Vorschriften für die Betriebsratswahl deutlich verschärft und wird für den Wahlvorstand einige gravierende Fragen aufwerfen:

  • Wie ist zu verfahren, wenn der Text auf dem Stimmzettel (z.B. weil sehr viele Listen oder nur eine Liste mit sehr vielen Kandidat:innen eingereicht wurde) nicht auf eine Seite passt und somit die Rückseite nicht frei bleiben kann?
  • Ist ein fehlerhaft gefalteter Stimmzettel vor dem Einwurf in die Urne zurückzuweisen? (Hier ist das Wahlgeheimnis nicht mehr gewahrt, da zumindest der Wahlvorstand, aber auch noch andere Anwesende das Abstimmungsverhalten ggf. erkennen können.)
  • Ist ein trotz fehlerhafter Faltung eingeworfener Stimmzettel ungültig? (Hier ist das Wahlgeheimnis nicht mehr gewahrt, da zumindest der Wahlvorstand, aber auch noch andere Anwesende das Abstimmungsverhalten erkennen können, da zumindest bei einem Einzelfall dieser Stimmzettel einer bestimmten Person zugeordnet werden kann und das Abstimmungsverhalten spätestens bei der öffentlichen Stimmenauszählung erkennbar wird.)
  • Ist bei Briefwahl ein aus dem Wahlumschlag entkommener fehlerhaft gefalteter Stimmzettel ungültig? (Bei der Entnahme bei Briefwahl kann der Umschlag der bestimmten Person zugeordnet werden und das Abstimmungsverhalten ist für den Wahlvorstand und die bei der Auszählung anwesende Betriebsöffentlichkeit ggf. erkennbar.)
  • Ist bei Briefwahl ein Umschlag mit mehreren Stimmzetteln ungültig? (Ein Wahlumschlag mit mehreren Stimmzetteln kann bei Öffnung der bestimmten Person zugeordnet werden und das Abstimmungsverhalten ist für den Wahlvorstand und die bei der Auszählung anwesende Betriebsöffentlichkeit erkennbar, wenn der in diesem Falle zwingend in die Urne einzuwerfende Umschlag der einzige bleibt.)

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