LAG Niedersachsen: Mehr Geld dank Betriebsrat

Betriebsräte werden immer wieder mit dem Wunsch ihrer KollegInnen konfrontiert, sie mögen doch bitte für mehr Geld für jeden einzelnen sorgen. Groß ist dann oft die Enttäuschung, wenn alle lernen müssen, dass der Betriebsrat zwar im Sinne der Lohngerechtigkeit nach §87 (1) Nr.10, 11 BetrVG über die Verteilung mitbestimmt, nicht jedoch über die Größe des Gesamttopfes. Die Menge des zu verteilenden Geldes kann vom Betriebsrat nicht gegen den Willen des Arbeitgebers erhöht werden, dies wäre nur auf tariflicher Ebene erreichbar. Jetzt hat das LAG Niedersachsen in einer Entscheidung (30.04.2013, 1 TaBV 142/12) festgestellt, dass sich für den Arbeitgeber zumindest für bereits ergangene Sonderzahlungen eine Nachschusspflicht ergeben kann, wenn die Sonderzahlungen bisher ohne Beteiligung des Betriebsrates zustande gekommen sind.  

Die Parteien stritten über die Einsetzung einer Einigungsstelle zum Regelungsgegenstand „Übertarifliche Einmalzahlungen, insbesondere Sonderzahlungen und Tantiemen an Redakteure in den Jahren 2008 bis 2012, sowie für die Jahre ab 2013, (…)“. Ausgangspunkt ist eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (14.06.1994, 1 ABR 63/93, NZA 95, S.543), die ein Mitbestimmungsrecht nach §87 (1) Nr.10 BetrVG bei Zuwendungen nachträglich mit Wirkung für die Vergangenheit bejaht.

Hat der Arbeitgeber also in der Vergangenheit die eigentlich gesetzlich gebotene Verständigung mit dem Betriebsrat übergangen, so kann sich aus einer später getroffenen Vereinbarung ergeben, dass der Arbeitgeber die vormals zur Verteilung zur Verfügung stehende Gesamtsumme nachträglich erhöhen muss, wenn sich aus den in der Vereinbarung niedergelegten abstrakten Verteilungsgrundsätzen ergibt, dass einige Arbeitnehmer mehr bzw. andere Arbeitnehmer überhaupt Geld hätten bekommen müssen. Im Einzelfall kann es sogar zu einer Verdopplung der ursprünglichen Summe kommen.

Für Arbeitgeber besteht hier nun das Risiko einer unkalkulierbaren Altlast, wenn sie in der Vergangenheit Sonderzahlungen ohne Beteiligung des Betriebsrats ausgekehrt haben. Das Risiko wächst mit jedem Jahr, in dem ohne Zustimmung des Betriebsrats agiert wird. Es ist daher anzuraten, zu einer Vereinbarung zu kommen, die die bisherige Praxis für die Gegenwart abbildet, so dass es dem Betriebsrat schwerfallen wird, für die Vergangenheit eine andere Regelung durchzusetzen. Ideal wäre dabei auch eine Formel, mit der der Betriebsrat mit dieser jetzigen Vereinbarung auch sein Mitbestimmungsrecht für die Vergangenheit ausübt. Weicht die Vereinbarung jedoch in erheblichem Maße von der vergangen Praxis ab, so kann der Arbeitgeber nur hoffen, dass der Betriebsrat durch die Beschäftigung mit Gegenwart und Zukunft nicht auf die Idee kommt, auch für die Vergangenheit etwas regeln zu wollen.

Für Betriebsräte eröffnet sich hier die sonst verschlossene Möglichkeit, den Kolleginnen und Kollegen über die Mitbestimmung mehr Geld zu verschaffen. Der nachträgliche warme Geldregen dürfte besonders dann wirksam sein, wenn sie einen deutlich anderen bzw. weiteren Kreis der Begünstigten vereinbaren. Allerdings kann der Betriebsrat diese „Karte“ nur einmal spielen. Es kann daher Teil der taktischen Überlegungen sein, über die Mißachtung der Mitbestimmungsrechte weiter Stillschweigen zu wahren, um dann später zu einem günstigen Zeitpunkt rückwirkend eine höhere Summe zu erreichen.

Die Arbeitnehmer sind in diesem „Spiel“ auf der sicheren Seite, da der Arbeitgeber die bereits gewährten Leistungen auch dann nicht zurückfordern kann, wenn die dann später getroffene Vereinbarung eine geringere oder gar keine Leistung vorsieht. Allerdings gibt es dann ab sofort weniger oder gar nichts.

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