Abgeltung des Urlaubs bei Ausscheiden: Wichtige Differenzierung zwischen gesetzlichem und anderweitigem Anspruch!

von Fachanwalt für Arbeitsrecht Philipp Ukert

und Mediator und Coach Sebastian Schoberansky

 

Wird ein Arbeitsverhältnis beendet, kann nicht immer der noch bestehende Urlaub genommen werden. Bekommt der Arbeitnehmer im Jahr mehr Urlaub, als das Gesetz vorsieht, ist der Streit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Zahl der abzugeltenden Urlaubstage programmiert, wenn der Arbeitgeber oder die Tarifpartner nicht schlau gewesen sind. 

 

Der gesetzliche Urlaubsanspruch nach §3 BUrlG wird für viele Arbeitnehmer durch eine einzelvertragliche und/oder tarifvertragliche Regelung erhöht. Seltener dürfte die Erhöhung durch eine Betriebsvereinbarung sein, da dem Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht beim Umfang des Urlaubs zusteht. Hier sind also allenfalls eine auf freiwilliger Basis entstandene Anspruchsgrundlagen denkbar.

Unabhängig davon, wie die einzelne Formulierung aussehen mag, ist immer zwischen dem gesetzlichen und dem über den gesetzlichen Anspruch hinausgehenden Anteil (sogen. überschießender Anteil) am Gesamturlaubsanspruch zu differenzieren. Dies spielt neben einer eventuellen Übertragung in das Folgejahr vor allem bei der Abgeltung bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis eine Rolle.

Nach §7 (4) BUrlG besteht ein Abgeltungsanspruch, wenn ein Urlaubsanspruch bis zum Ausscheiden nicht erfüllt werden konnte. Die Abgeltung in Geld ist ein Ersatz für den nicht verwirklichten Anspruch auf Freistellung von der Arbeitspflicht durch den Arbeitgeber.

Zur Bestimmung des Abgeltungsanspruchs ist zunächst festzustellen, wann das Arbeitsverhältnis endet. Nach §5 BUrlG besteht bei Ausscheiden in der ersten Jahreshälfte nur ein anteiliger Anspruch, bei Ausscheiden in der zweiten Jahreshälfte der volle Jahresurlaubsanspruch. Auch wer also schon zum 31.7. ausscheidet, hat demnach den vollen Anspruch!

Ist im Kalenderjahr bereits Urlaub genommen worden, beginnt es spätestens hier kompliziert zu werden: Der gesetzliche Abgeltungsanspruch gilt nur für den gesetzlichen Anteil, wenn wie so häufig in Arbeits- oder Tarifvertrag für die Abgeltung von Urlaubsansprüchen für den Fall des Ausscheidens andere Regelungen vereinbart wurden, so z.B. die Abgeltung ausgeschlossen wurde.

Findige Arbeitgeber wissen das und berechnen den Abgeltungsanspruch dementsprechend. Doch damit ist der Streit mit dem Arbeitnehmer programmiert, denn dieser beschwert sich zu Recht über diese Berechnung zu seinen Ungunsten:

Besteht keine einzelvertragliche oder kollektivrechtliche Vereinbarung, dass zunächst der gesetzliche Urlaubsanspruch genommen wird, wird zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber streitig sein, welcher Teil des Gesamturlaubsanspruchs vom Arbeitnehmer bereits genommen wurde. Mangels einer solchen näheren Bestimmung hilft dann das Gesetz weiter: Nach §366 BGB kann der Schuldner (hier: Arbeitgeber) die Leistung (hier: Urlaub) näher bestimmen, also z.B. festlegen, dass zunächst der gesetzliche Urlaubsanspruch genommen wird. Hat er die Leistung nicht näher bestimmt, ist nach den Regeln des §366 (2) BGB zu verfahren: da die Erfüllung des Urlaubsanspruchs aus dem Einzelvertrag unsicherer sein dürfte, als die des gesetzlichen, ist demnach zunächst der vertragliche Urlaubsanspruch gewährt worden (derzeit noch umstritten, siehe auch: bestätigend LAG Düsseldorf in 5 Sa 353/10 vom 30.09.2010, differenzierend sogar der BDA unter Ziff. II.4. auf S.7, anders dazu eine etwas ältere BAG-Entscheidung: BAG,0 5. 09. 2002, 9 AZR 244/01, Rn. 68)

Ohne entsprechend bestimmende einzel- oder kollektivvertragliche Grundlage werden also bei einem zum 31.7. ausscheidenden Arbeitnehmer mit 30 Tagen Gesamturlaubsanspruch (5-Tage-Woche) die bereits genommenen 10 Tage komplett aus dem vertraglichen Kontingent bestritten worden sein und ein Abgeltungsanspruch für den kompletten gesetzlichen Urlaub von 20 Tagen bestehen. Nach der oben genannten unzulässigen Berechnung des Arbeitgebers wären dies nur 10 Tage gewesen (30 Tage Gesamtanspruch – 10 Tage überschießender Teil = 20 Tage gesetzlicher Anspruch – 10 Tage genommener Urlaub = 10 Tage Resturlaubsanspruch/Abgeltungsanspruch).

Für Arbeitgeber geht es also darum, zu bestimmen, dass zunächst der gesetzliche Urlaubsanspruch zu nehmen ist bzw. gewährt wird. Für Neu-Verträge sollte eine entsprechende Klausel aufgenommen werden. Wenn bei bestehenden Verträgen dies jedoch nicht im Einzelarbeitsvertrag steht, müssten die Arbeitsverträge mit jedem einzelnen Arbeitnehmer geändert werden. Da sich die Arbeitnehmer wohl kaum freiwillig darauf einlassen werden, käme nur eine Änderungskündigung in Betracht, die jedoch kündigungsrechtlichen Beschränkungen unterliegt. Kommt auch eine freiwillige Vertragsergänzung nicht zustande, kann noch versucht werden, über den zu verwendenden Urlaubsschein, mit dem der Arbeitgeber seine Freistellungserklärung gegenüber dem Arbeitnehmer wirksam und nachweisbar erklärt, eine nähere Bestimmung vorzunehmen. Die Aufnahme eines entsprechenden Passus wie „Vom Gesamtjahresurlaubsanspruch wird zunächst der gesetzliche Urlaubsanspruch gewährt.“ dürfte kein technisches Problem sein und ist vom Weisungsrecht gedeckt.

Besteht jedoch ein Betriebsrat, könnte dieser auf die Idee kommen, dass der Urlaubsschein als Teil der allgemeinen Urlaubsregeln im Rahmen des Bewilligungsverfahrens seiner Mitbestimmung unterliegt, und auf diese Weise die Einführung einer für die Arbeitnehmer ungünstigeren Regelung zu kippen versuchen. Da ein entsprechender Hinweis auf dem Urlaubsschein eine Konkretisierung des Leistungsbestimmungsrechts bei der Erfüllung der Urlaubsschuld durch den Arbeitgeber in Bezug auf den individualrechtlichen Urlaubsanspruch darstellt, dürfte sich spätestens die Einigungsstelle für unzuständig erklären, da dieser Tatbestand offenkundig nicht der Mitbestimmung des §87 (1) Nr.5 BetrVG unterliegt. Dem Betriebsrat bleibt beim einem ggf. vorhandenen Tarifvertrag nur die Möglichkeit, Einfluss auf die Gewerkschaft zu nehmen, dass diese im Tarifvertrag festlegt, welcher Urlaubsanspruch zuerst genommen wird. Dabei sollte gleichzeitig darauf geachtet werden, dass eine Abgeltungsklausel für den überschießenden Teil mit aufgenommen wird, die die Abgeltung eben nicht ausschließt.

Für den Arbeitnehmer stellt sich die Frage, ob er bei Vertragsschluss darauf dringen will, eine Abgeltungsverpflichtung für den überschießenden Teil zu vereinbaren. Dies ist jedoch nur dann sinnvoll, wenn dieser Anteil recht groß ist und er Kenntnis davon hat, dass im Betrieb Regelungen zur vorrangigen Gewährung des gesetzlichen Anspruchs bestehen. Bestehen diese nicht, dürfte ein solcher Vorstoß in den Vertragsverhandlungen „schlafende Hunde wecken“.

Bestimmt der Arbeitgeber seine Leistung bei der Urlaubsgewährung nicht näher, kann bei Ausscheiden mit guter Aussicht ein etwaig noch vorhandener Abgeltungsanspruch durchgesetzt werden. Kommt es darüber jedoch zum Streit, könnte bei geringem Volumen der Aufwand einer gerichtlichen Durchsetzung unverhältnismäßig sein. Ist daher abzusehen, dass es im Laufe des Jahres zu einer Beendigung kommen wird, sollte entweder der gesamte Jahresanspruch bis zum Ausscheiden genommen werden, oder aber bei geklärter Rechtslage möglichst wenig Urlaub in Anspruch genommen werden, um ein ausreichendes Abgeltungsvolumen zu erhalten . Dafür sollte dann jedoch eine gute Rechtsschutzversicherung vorhanden sein.

Gänzlich unabhängig davon sollte der Urlaubsabgeltungsanspruch unverzüglich bei Ausscheiden schriftlich und nachweisbar beim Arbeitgeber geltend gemacht werden, denn insbesondere die Nichtbeachtung tariflicher Ausschlussfristen führt lt. BAG  9 AZR 486/10 vom 21.02.2012 zum Verfall des Abgeltungsanspruchs auch für den gesetzlichen Teil des Urlaubs.

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