Mitarbeiterbefragung, 3. Teil: Womit der Arbeitgeber rechnen muss.

von Mediator und Coach Sebastian Schoberansky

Heute wollen wir uns nun mit dem Arbeitgeber, dessen Betriebsrat Mitarbeiterbefragungen durchführen will, befassen. Wie in den beiden vorigen Teilen (I; II) geht es hier wieder um verdeckte Gründe, diesmal jedoch um jene, die vor allem für den Arbeitgeber bei der Beantwortung der Frage, wie er mit dem Ansinnen des Betriebsrats umgehen will, von Bedeutung sind.

Wir werden dabei zeigen, dass es dem Arbeitgeber aus verschiedenen Gründen nicht egal sein kann, wenn der Betriebsrat eine Mitarbeiterbefragung durchführen will. 

 

Der Betriebsrat setzt sich an die Spitze der Bewegung. Es besteht bereits erheblicher Unmut in der Belegschaft, den der Betriebsrat nur aufgreift, ihm Kontur verleiht und eine Stoßrichtung gibt. Die Umfrage ist nur sichtbares Zeichen für den Startschuss der Bündelung der Kräfte.

Sie als Arbeitgeber haben entweder nichts mitbekommen oder erste Anzeichen ignoriert. Beides stellt Fragen an Ihr Kommunikations- und Ihr Konfliktverhalten. Auf lange Sicht können Sie sich ein solches Vermeidungsverhalten nicht leisten, holen Sie sich deshalb professionelle Unterstützung, um realitätsgerechte Handlungsalternativen zu entwickeln.

Doch jetzt müssen Sie erstmal handeln: Greifen Sie den Protest offensiv auf und zeigen Sie, dass Sie Ihre Mitarbeiter selbst und Ihren Unmut in Form und Inhalt ernst nehmen. Kommunizieren Sie intensiv zweigleisig mit Mitarbeitern UND Betriebsrat. Machen Sie sich ein eigenes Bild. Regen Sie beim Betriebsrat an, einen Ausschuss zu bilden, dem auch noch andere Mitarbeiter und Sie angehören. Machen Sie es zur Chefsache, an den Sitzungen des Ausschusses teilzunehmen. Kommunizieren Sie zusammen mit dem Betriebsrat die (Zwischen-)Ergebnisse. Sorgen Sie schnell für tragfähige Ergebnisse, auch wenn diese Ihnen eigentlich gegen den Strich gehen.

 

Die Umfrage spült latente Konflikte an die Oberfläche. Bisher gingen Unzufriedenheitsbekundungen nicht über den üblichen Klatsch in der Kaffeeküche hinaus. Die Umfrage legitimiert für die Mitarbeiter schlagartig die eigene Unzufriedenheit als offen bekundenswert und liefert einen willkommenen Anlass, auch nicht erfragte eigene Sachverhalte endlich einmal an den verantwortlichen Stellen empört zu artikulieren.

Es sind eigentlich alle ganz zufrieden, doch Ihr Betrieb besitzt keine Kultur bzw. Strukturen der konstruktiven Konfliktbearbeitung. Grundmangel ist die fehlende Feedbackkultur.

Verhindern Sie lieber die Umfrage, da ein wahrer Beschwerde-Tsunami entstehen könnte. Setzen Sie sich mit Ihrem Betriebsrat und Ihrem Personalentwickler zusammen und lassen Sie sich das Grundproblem Ihrer Unternehmenskultur aus deren Sicht schildern. Erarbeiten Sie gemeinsam ein Konzept, wie Sie langfristig die Feedbackkultur verbessern können. Denken Sie dabei insbesondere an die Vorbildfunktion der Führungskräfte, Sie selbst eingeschlossen. Stellen Sie sich auf einen langen Weg der Persönlichkeitsentwicklung ein. Leiten Sie geeignete Maßnahmen in die Wege. Kümmern Sie sich erst dann um die eigentlichen Konfliktinhalte.

 

Der Betriebsrat braucht mehr Macht bei einer mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit. Aus Scheu vor dem Einsatz der vom Gesetz vorgesehenen Durchsetzungsmittel soll es nun der emotionale Druck aus der Belegschaft richten. Davor sind dem Betriebsrat seine guten Sachargumente ausgegangen, so dass ihm in der Verhandlung eine Niederlage droht.

Sie haben Ihren Betriebsrat sachinhaltlich an die Wand gedrückt und ihm vielleicht sogar gedroht. Dabei wissen Sie eigentlich ganz genau, dass Sie eine Einigung mit Ihrem Betriebsrat brauchen, so schwer das auch fällt. Ihr Betriebsrat sieht sich gezwungen, die nächste Eskalationsstufe zu zünden, obwohl er es eigentlich gar nicht will. Unbewusst erhöht er dabei den Einsatz: ging es zunächst nur um einen Konflikt zwischen ihm und Ihnen auf betriebsverfassungsrechtlicher Ebene, geht es jetzt um die Bildung einer machtvollen Koalition und letztlich um sein und Ihr Ansehen in der Betriebsöffentlichkeit. Dabei können Sie nur verlieren: auch wenn Sie in diesem Fall vielleicht inhaltlich gewinnen mögen, besitzt der Betriebsrat genügend gesetzliche Mittel, um Ihnen irgendwann in einer ganz anderen Sache eine empfindliche Niederlage zur eigenen Genugtuung zu verpassen.

Verhindern Sie die Durchführung der Umfrage mit allen Mitteln. Gehen Sie notfalls in die Einigungsstelle und rügen Sie die gesetzlich nicht vorgesehenen und damit unlauteren Mittel des Betriebsrats. Besser aber Sie lassen sich in Ihren Verhandlungen vom Gedanken der Interdependenz leiten und suchen nach zufriedenstellenden Lösungen für alle Verhandlungspartner. Dafür ist es auch noch kurz vor dem Start der Umfrage noch nicht zu spät, wenn Sie deutlich machen, dass Sie auf ein Win-Loose-Spiel gerne verzichten möchten.

 

Der Betriebsrat braucht mehr Macht bei einer Angelegenheit, die allenfalls der freiwilligen Mitbestimmung unterliegt. Es ist schwer für den Betriebsrat zu akzeptieren, dass das Gesetz für ihn keine Mittel bereithält, wenn er mit der Unternehmensführung nicht zufrieden ist. Neben Richtung und Art der Führung kann sich die Ablehnung auch auf Personen beziehen, die nach Ansicht des Betriebsrats zu Unrecht auf ihrem Führungsposten sitzen.

Sie haben hier eine ganz schwere Nuss zu knacken, denn Ihr Betriebsrat hält sich für besser als Sie und/oder Ihre Führungskräfte. Dies kann tatsächlich mit Ihnen, Ihren Ansichten und Ihren Entscheidungen zu tun haben. Meist projizieren aber einige Betriebsratsmitglieder ihre Kleinheitsgefühle, Ängste und Enttäuschungen auf Sie und nutzen das Betriebsratsamt, um sich an Ihnen abzuarbeiten. Sie könnten den Betriebsrat sich am ausgestreckten Arm abstrampeln lassen, aber damit schüren Sie nur seinen Ehrgeiz.

Nehmen Sie den Betriebsrat in der Sache ernst, nutzen Sie ihn als wichtiges Feedbackmedium für sich selbst und Ihre Führungsweise (Sie können immer noch entscheiden, was Sie daovn für sich annehmen wollen). Sprechen Sie offen über die gesetzlichen Grenzen und deren praktische Auswirkung in diesem Fall. Überlegen Sie, wie Sie den Betriebsrat so einbinden, dass er das Gefühl von Verantwortlichkeit bekommt. Schonen Sie ihn nicht, sondern lassen Sie ihn auch an schweren Entscheidungen teilhaben und diese auch durch ihn kommunizieren. Vertrauen Sie darauf, dass die praktische Erfahrung unhaltbare Sichtweisen geraderücken wird.

 

Der Betriebsrat hat ein ernsthaftes Erkenntnisinteresse für konstruktive Verbesserungen. Für gute Optionsentwicklungs- und Entscheidungsprozesse braucht der Betriebsrat valide Informationen. Diese können nur zum Teil vom Arbeitgeber selbst geliefert werden. Was liegt also näher, die betroffenen Arbeitnehmer selbst zu befragen und einzubinden.

Sie haben mit diesem Betriebsrat einen echten Partner im Haus. Wenn Sie ihm vertrauen und mit seiner unterschiedlichen Perspektive umgehen können, hilft er Ihnen dabei, Ihr Unternehmen nach vorne zu bringen. Vielleicht schaffen Sie es sogar, Ihrer Personalabteilung die Angst zu nehmen, überflüssig zu werden, denn Ihr Betriebsrat kann wichtige Zuarbeiten bei den Themen Personalplanung, Personalentwicklung, Urlaubsplanung, Entgeltsystem, Compliance usw. leisten. Unschlagbar ist die Möglichkeit, Ihre Maßnahmen durch seine Beteiligung zu kommunizieren und zu verankern.

Bieten Sie Ihrem Betriebsrat die Möglichkeit, das Knowhow für professionelle Befragungen zu erlangen. Unterstützen Sie offiziell diese Aktionen und lassen Sie sich immer die Ergebnisse zeigen. Sorgen Sie dafür, dass die Befragungen zu konkreten Maßnahmen führen und stellen Sie dort den Zusammenhang zur Befragung wieder her. Gemeinsam tun Sie Gutes und gemeinsam reden Sie darüber!

 

Fazit: Um einigermaßen einschätzen zu können, was da auf ihn zukommt, lohnt es sich auch für den Arbeitgeber, nach verdeckten (und nicht ganz so sauberen) Motiven zu suchen. Denn wie bereits hier erkennbar, können solcherart aufgeladene Befragungen äußerst unerwünschte Effekte jenseits des offiziell angestrebten Erkenntnisgewinns haben. In den folgenden Teilen, in denen wir uns mit einer an Leitfragen orientierenden Vorgehensweise beschäftigen, werden wir unerwünschte und meist völlig unkontrollierbare Effekte noch ausführlicher diskutieren.

 

Im nächsten Abschnitt werden wir uns mit den Leitfragen beschäftigen, anhand derer ein Umfrageansinnen auf eine realistische Grundlage gestellt bzw. passendere Handlungsmöglichkeiten entwickelt werden können.

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