Mitarbeiterbefragung: Die verdeckten Motive des Betriebsrats, Teil II.

von Mediator und Coach Sebastian Schoberansky

Im ersten Teil unserer Serie über die verdeckten Gründe von Umfragen des Betriebsrats haben wir uns mit den Gründen „Angst vor (weiterer) Ablehnung“, „Angst vor Entscheidungen“ und „Ahnungslosigkeit“ beschäftigt. Sie werden bemerkt haben, dass wir dem, den es betrifft, unverblümt unsere Meinung sagen, aber auch eine ganze Reihe von Lösungsvorschlägen anbieten. So werden wir es auch im heutigen Abschnitt halten, mit dem wir die verdeckten Gründe auf Seiten des Betriebsrats abschließen werden:  

Fehlendes Durchsetzungsvermögen. Der Betriebsrat kennt zwar seine Rechte und deren Durchsetzungsmöglichkeiten, schreckt aber davor zurück, die dafür notwendigen Schritte zu gehen. In Verhandlungen mit dem Arbeitgeber lässt er sich von diesem inhaltlich wie rethorisch leicht einschüchtern und gibt letztlich klein bei.

Ihr Konfliktverhalten ist der Betriebsratsarbeit nicht angemessen, denn diese ist naturgemäß konfliktträchtig. Ihr ausgeprägtes Harmoniebedürfnis bringt Sie dazu, lieber Ihre guten Absichten zu verraten, als auch nur einmal „Widerworte“ zu geben. Aufgrund Ihrer bisherigen Konflikterfahrungen haben Sie nicht das Vertrauen, dass das Leben mit der anderen Konfliktpartei nach dem Konflikt noch einigermaßen in Würde weitergehen könnte, stattdessen befürchten Sie Nachteile für sich.

Machen Sie sich die gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Betriebsratsmitglieder bewusst. Solange Sie sich im Rahmen Ihrer gesetzlichen Pflichten und Aufgaben bewegen, kann Ihnen keiner wirklich was anhaben.

Beschäftigen Sie sich mit Ihrem individuellen Konfliktverhalten. Hier liegt der Schlüssel für Ihren gegenwärtigen Stillstand, denn auch hier gilt: ohne Woher, kein Wohin. Haben Sie in der Vergangenheit Konflikte eher als etwas Trennendes oder Verbindendes empfunden? Wurden Meinungsverschiedenheit in Ihrer Familie eher autoritär oder kooperativ geregelt? Was befürchten Sie, könnte bei einer offenen Konfliktaustragung eintreten? Wie sicher ist bei realistischer Betrachtung, dass dies eintritt? Was könnten Sie im Konflikt dazu beitragen, dass dies nicht eintritt? Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie Konflikte in Ihrem Leben ganz vermeiden können? Wie realistisch ist es, dass Sie vor, während und nach der Konfliktaustragung komplett ohne Angst sind? Wie geht es Ihnen wirklich damit, wenn Sie deswegen wieder einmal Ihre Ziele nicht erreicht haben?

Achten Sie darauf, dass die Ziele des Betriebsrats ausreichend attraktiv für Sie sind. Machen Sie sie so attraktiv, dass sich ihre Erreichung auch zum Preis einer offenen Konfliktaustragung lohnt.

Stellen Sie sich Ihren Arbeitgeber in der Verhandlung vor, wie er morgens mit heruntergelassener Hose auf der Toilette sitzt und sich durch die ungekämmten Haare fährt. Je drastischer und plastischer Sie sich das ausmalen, umso besser! Ihr Arbeitgeber ist schließlich auch „nur“ ein Mensch, der gerade eine Funktion ausfüllt. Ihre jeweilige Funktion erfordert es, dass Sie sich auf Augenhöhe begegnen. Wenn sich Ihr Arbeitgeber also mal wieder ordentlich aufbläst, dürfen Sie ruhig ein wenig Luft rauslassen.

 

Lust am Aufwiegeln. Die Befragung soll Stimmung gegen den Arbeitgeber machen und die Position des Betriebsrats auf diesem Umweg gestärkt werden. Dazu werden entsprechend tendenziöse Fragen gestellt, die verdeckt die eigentliche Botschaft des Betriebsrats transportieren. Wenn das Ergebnis seine Position bestätigt, umso besser, ist aber nicht so wichtig, da es ohnehin nach eigenem Gutdünken verwertet wird.

Man wird Sie zu Recht als Schwein bezeichnen können, aber Sie haben verstanden, worum es bei Befragungen auch noch gehen kann. Wenn Sie nicht platt gegen den Arbeitgeber hetzen und sich damit angreifbar machen wollen, kann dies ein eleganter Weg sein. Wenn Sie jetzt noch die Befragung nicht an alle Kollegen richten, sondern als „repräsentative“ Stichprobe konzipieren, können Sie gezielt den Kreis der Befragten auswählen und so auch gleich Ihnen wohlgesonnene Multiplikatoren in ihrer (Ihrer!) Meinung bestärken.

Führen Sie die Befragung von Angesicht zu Angesicht aus, dann können Sie im Gespräch den Befragten noch weiter in Ihre Richtung ziehen.

Stellen Sie die Befragung gegenüber Ihren Kollegen als eher informelle Informationsgewinnung für eine Entscheidung zu ihren Gunsten dar. Gegenüber dem Rest der Belegschaft oder Ihrem Arbeitgeber können Sie die Ergebnisse mit dem Habitus des Repräsentativen verkaufen, ohne dies jedoch explizit so zu nennen.

Hüten Sie sich davor, aus Angst vor Ihrer eigenen Frechheit eine unausgegorene Mischform durchzuführen. Wenn Ihre Fragen zu offenkundig tendenziös sind und der Teilnehmerkreis auch betriebsratskritische Kollegen umfasst, kommt man Ihnen schnell auf die Schliche, stellt Sie an den Pranger und Ihre Position ist auf lange Sicht geschwächt.

Stellen Sie also sicher, dass Ihre Trickserei ihren Zweck erfüllt und unerwünschte Nebenwirkungen unwahrscheinlich sind. Wenn Sie das nicht garantieren können, sollten Sie die Finger von einem solchen Aufwiegelungsversuch lassen.

 

Fazit: Wohlklingende, vernünftige und meist schlicht rationalisierte Begründungen verschleiern die unbewussten „wahren“ Gründe für unser Verhalten. Um sich nicht selbst zu betrügen und ggf. völlig ungeeignete „Problemlösungen“ zu ergreifen, lohnt sich eine kritische Selbstbefragung, die auch vermeintlich schlimme, abwegige, unvernünftige und gefährliche Gründe in Erwägung zieht. Erst vor diesem Hintergrund ist die Auswahl einer Maßnahme möglich, die das Kernproblem wirklich zu lösen verspricht und eben keine Scheinprobleme löst oder gar völlig neue unbeabsichtigt schafft.

 

Im nächsten Abschnitt beschäftigen wir uns mit der Perspektive des Arbeitgebers.

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