Kleinbetriebe: Leiharbeitnehmer zählen beim Kündigungsschutz unter bestimmten Umständen mit

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. Januar 2013 – 2 AZR 140/12 –
Vorinstanz: LAG Nürnberg, Urteil vom 27. Juli 2011 – 4 Sa 713/10 – 

Pressemitteilung des BAG:

Nach § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG gilt das Kündigungsschutzgesetz* für nach dem 31. Dezember 2003 eingestellte Arbeitnehmer nur in Betrieben, in denen in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt werden. Bei der Berechnung der Betriebsgröße sind auch im Betrieb beschäftigte Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen, wenn ihr Einsatz auf einem „in der Regel“ vorhandenen Personalbedarf beruht. Dies gebietet eine an Sinn und Zweck orientierte Auslegung der gesetzlichen Bestimmung. 

Der Kläger war seit Juli 2007 bei der Beklagten beschäftigt. Diese beschäftigte einschließlich des Klägers zehn eigene Arbeitnehmer. Im November 2009 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien fristgerecht. Mit seiner Kündigungsschutzklage hat der Kläger geltend gemacht, bei der Anzahl der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer seien auch die von der Beklagten eingesetzten Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen, weil das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung finde. Die Revision des Klägers hatte vor dem Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Es ist nicht auszuschließen, dass im Betrieb der Beklagten mehr als zehn Arbeitnehmer iSd. § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG beschäftigt waren. Der Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern steht nicht schon entgegen, dass sie kein Arbeitsverhältnis zum Betriebsinhaber begründet haben. Die Herausnahme der Kleinbetriebe aus dem Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes soll der dort häufig engen persönlichen Zusammenarbeit, ihrer zumeist geringen Finanzausstattung und dem Umstand Rechnung tragen, dass der Verwaltungsaufwand, den ein Kündigungsschutzprozess mit sich bringt, die Inhaber kleinerer Betriebe typischerweise stärker belastet. Dies rechtfertigt keine Unterscheidung danach, ob die den Betrieb kennzeichnende regelmäßige Personalstärke auf dem Einsatz eigener oder dem entliehener Arbeitnehmer beruht.

Der Senat hat die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Es steht noch nicht fest, ob die im Kündigungszeitpunkt im Betrieb tätigen Leiharbeitnehmer aufgrund eines regelmäßigen oder eines für den Betrieb „in der Regel“ nicht kennzeichnenden Geschäftsanfalls beschäftigt waren.

* Verkürzte Formulierung. Das Gesetz gilt in bestimmten, hier maßgeblichen, Teilen nicht, die in §23 (1) KSchG genannt werden. Gleichwohl gelten wesentliche andere Vorschriften des Gesetzes weiter (s.u. zum Thema „Klage aus anderen Gründen“)

Fazit: Mit dieser Entscheidung wird die Verringerung der Anforderungen an eine Kündigung durch den Einsatz von Leiharbeitnehmern erschwert.  Von Kündigungen betroffene festangestellte Arbeitnehmer können sich jetzt viel besser gegen sozial ungerechtfertigte Kündigungen (Kriterien) wehren, wenn sie Anhaltspunkte dafür finden, dass durch Leiharbeitnehmer die regelmäßige Personalstärke erhöht wird. Daher lohnt es sich jetzt auch noch viel mehr als zuvor, eine das Arbeitsrecht einschließende Rechtsschutzversicherung abzuschließen. Der in solchen Betrieben ggf. zu bildende einköpfige Betriebsrat sollte seine KollegInnen unbedingt über ihre neugewonnenen rechtlichen Möglichkeiten zeitnah informieren.

Wichtig: In Kleinbetrieben, die nicht den Schwellenwert des §23 (1) KSchG erreichen, kann ein Kündigungsschutz auch aus anderen Gründen entstehen (z.B. Schwerbehinderung). Unberührt von dieser Entscheidung bleibt auch das generelle Recht, aus anderen Gründen als fehlender sozialer Rechtfertigung „Kündigungsschutz“-Klage zu erheben (§4 KSchG)

Weitere Anmerkungen folgen, wenn der Volltext der Entscheidung vorliegt.


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