Achtung Haftungsfallen!

Mitglieder des Betriebsrates haften unter Umständen persönlich für erteilte Aufträge

von Fachanwalt für Arbeitsrecht Philipp Ukert

Der Bundesgerichtshof (BGH) befasst sich nicht vornehmlich mit Fragen des Arbeits- oder Betriebsverfassungsrechtes. Nun musste er aber zu der Frage Stellung nehmen, ob der Betriebsrat als Gremium und dessen einzelne Mitglieder persönlich auf die Zahlung für Leistungen haften, die sie in Auftrag gegeben haben (BGH, Urteil v. 25.10.2012 – III ZR 266/11).  

Was war geschehen? Der Betriebsrat eines mittelständischen Unternehmens, das innerbetriebliche Umstrukturierungsmaßnahmen plante, fasste den Beschluss, sich im Verfahren über einen Interessenausgleich betriebswirtschaftlich beraten zu lassen. Der Betriebsratsvorsitzende teilte das einem Berater mit, der ihm bestätigte, dass er die Beauftragung annehme. Der Berater erbrachte in der Folgezeit Leistungen, über die er gegenüber dem Betriebsrat abrechnete. Der Betriebsrat reichte die Rechnung an den Arbeitgeber weiter, der die Bezahlung verweigerte, weil die Leistungen seiner Auffassung nach unzulänglich dokumentiert und nicht hinreichend detailliert beschrieben worden seien und zudem ein Teil der Beratungsleistungen nicht erforderlich gewesen sei. Daraufhin verklagte der Berater den Betriebsratsvorsitzenden und den Betriebsrat als Gremium und machte mit der Klage die Beratungshonorare geltend.

Anders als die Vorinstanzen kommt der BGH zu dem Ergebnis, dass eine Haftung des Betriebsratsvorsitzenden nicht ausgeschlossen sei, so dass der BGH die Sache an das OLG zurückverwies. Dieses muss nun die Sache weiter aufklären und wird dann entscheiden.

Wie kommt der BGH zu dem Ergebnis, dass ein Betriebsrats-Mitglied persönlich für die Zahlung haftet? Schließlich handelt es sich um ein Ehrenamt in einem grundsätzlich vermögenslosen Gremium, wofür der Gesetzgeber den Freistellungsanspruch von Betriebsrats-Kosten nach § 40 BetrVG geschaffen hat.

Der BGH stellt zunächst fest, dass der Betriebsrat als Gremium mit externen Beratern im eigenen Namen wirksam Verträge schließen kann, aus denen er selbst berechtigt und verpflichtet wird. Der BGH bestätigt damit, dass der Betriebsrat als Gremium in Bezug auf Hilfsgeschäfte mit Dritten, die er im Rahmen seines gesetzlichen Wirkungskreises tätigt, jedenfalls partiell rechtsfähig ist. Daraus folgt auch, dass eine unmittelbare vertragliche Haftung der einzelnen Betriebsratsmitglieder nicht in Betracht kommt, soweit nicht ausdrücklich anderes mit dem Dritten vereinbart worden ist.

Die Rechtsfähigkeit des Betriebsrates als Gremium ist indes nicht unbeschränkt, sondern auf den ihm vom Betriebsverfassungsgesetz übertragenen Aufgabenkreis beschränkt, so dass der Betriebrat außerhalb dieses gesetzlichen Wirkungskreises keine privatrechtlichen Geschäfte abschließen kann. Diesen Wirkungskreis verlässt der Betriebsrat bereits dann, wenn er eine Beratung beauftragt, die in ihrer konkreten Ausgestaltung für die Erfüllung der Aufgaben des Betriebsrates im Einzelfall nicht erforderlich ist, so dass kein korrespondierender Erstattungs- oder Freistellungsanspruch des Betriebsrates gegen den Arbeitgeber aus § 40 Abs. 1 BetrVG gegenübersteht.

 

Der Betriebsrat als Gremium besitzt eben insoweit keine Rechtsfähigkeit; d.h., dass der Betriebsrat als Gremium insoweit nicht an dem Rechtsverkehr teilnehmen und Rechte erwerben oder Verpflichtungen übernehmen kann. Teilrechtsfähigkeit des Betriebsrates kann nur angenommen werden, wenn der Betriebsrat als Gremium sowohl innerhalb seines gesetzlichen Aufgabenkreises tätig wird und er auch vermögensfähig ist. Das ist er im Bereich des § 111 BetrVG jedoch nur, soweit eben gegen den Arbeitgeber ein Anspruch aus § 40 BetrVG auf Erstattung der durch seine Tätigkeit entstehenden erforderlichen Kosten besteht. Dieser Anspruch aus § 40 BetrVG besteht aber dann nicht, wenn der Betriebsrat eine Beratungstätigkeit in Auftrag gibt, die zur Wahrnehmung seines durch § 111 BetrVG bestimmten Aufgabenkreises nicht erforderlich ist, was beispielsweise wegen des zu weit gefassten Umfanges der Beratungstätigkeit oder wegen der nicht üblichen Höhe der vereinbarten Vergütung der Fall sein kann.

Steht dem Betriebsrat kein Anspruch aus § 40 BetrVG zu, ist er nicht vermögensfähig; d.h., dass er als Gremium keine Rechte erwerben oder Verpflichtungen übernehmen kann. Dann aber kann die handelnde Person, also beispielsweise der Betriebsratsvorsitzende (oder jedes andere BRM) den Betriebsrat nicht wirksam vertreten, so dass er sich der Gefahr der Haftung als Vertreter ohne Vertretungsmacht aussetzt, § 179 BGB analog. Ein Vertragsschluss im Namen des Betriebsrates über einen außerhalb dessen Rechtsfähigkeit liegenden Gegenstand ist nach Auffassung des BGH dem Fall vergleichbar, dass eine tatsächlich nicht existente Person vertreten wird mit der Folge, dass der Handelnde haftet, hier also der Betriebsratsvorsitzende persönlich auf Zahlung des Beraterhonorars in Anspruch genommen werden könnte. Geschieht das, muss das als rechtsgeschäftlich handelnde Betriebsrats-Mitglied beweisen, dass die Hinzuziehung des Beraters betriebsverfassungsrechtlich zulässig sowie nach Umfang und Vergütungshöhe erforderlich war, d.h. in den Grenzen des § 40 Abs. 1 BetrVG liegt und ein entsprechender Freistellungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber besteht. Gelingt diese Darlegung nicht oder kann sie nicht bewiesen werden, haftet das handelnde Betriebsrats-Mitglied persönlich.

Was ist zu tun? Dringend anzuraten ist dem Betriebsrat, sich vorab mit dem Arbeitgeber abzustimmen, ob und in welchem Umfange und gegen Zahlung welchen Honorars Berater eingeschaltet werden. Geschieht das nicht, so ist sorgfältig zu prüfen, ob der Beratungsleistung ein Freistellungsanspruch aus § 40 BetrVG gegenübersteht. Die Beratung sollte ausnahmslos beschränkt werden auf Leistungen, denen ein entsprechender Anspruch nach § 40 Abs. 1 BetrVG gegenübersteht. Schließlich ist dem handelnden Betriebsrats-Mitglied zu empfehlen, mit dem Berater zu vereinbaren, dass das handelnde Betriebsrats-Mitglied von der persönlichen Haftung ausgeschlossen ist.

 

Zu den Kostenrisiken bei Betriebsrats-Schulungen lesen Sie bitte auch unseren Beitrag „Lieber mit Freistellungserklärung zur Betriebsrats-Schulung“.

Praxisrelevanz dieses Urteils: Es geschieht recht selten, dass ein Berater, Rechtsanwalt oder Schulungsanbieter versucht, sein Geld von einem Betriebsratsmitglied zu bekommen. Schließlich ist jedem dieser Dienstleister bewusst, dass ein solches Vorgehen in aller Regel bedeutet, dass der Betriebsrat keine Folgeaufträge an ihn vergeben wird. Geschieht dies dennoch und besteht kein Freistellungsanspruch von diesen Kosten nach §40 BetrVG, so kann es für das betroffene Betriebsratsmitglied schnell sehr teuer werden.

Das Urteil macht auf alle Fälle erneut dafür sensibel, dass der Betriebsrat bei kostenträchtigen Handlungen sorgfältig prüfen, vorgehen und absichern sollte:

  • Prüfung, ob die Kosten für die zu erledigen Betriebsratsaufgaben tatsächlich erforderlich sind (in den Kommentaren zu §40 BetrVG finden sich dazu hilfreiche Ausführungen und Aufstellungen)
  • Ordnungsgemäßer Beschluss auf einer ordnungsgemäß einberufenen Sitzung mit ordnungsgemäßer Tagesordnung, der die Erforderlichkeit der geplanten Handlung anhand von Fakten und Rechtsgrundlagen nachweist. Dazu kann auf oftmals bereitgestellte Musterbeschlüsse zurückgegriffen oder der Beschlusstext gleich mit dem Berater oder Rechtsanwalt abgestimmt werden. Idealerweise fordert der Beschluss den Arbeitgeber auf, die Kostentragung binnen einer angemessenen Frist zu erklären. Sind Buchungen, Bestellungen oder Beauftragungen zu tätigen, so kann der Betriebsrat auch beschließen, dass dies gleich vom Arbeitgeber zu machen ist, denn so wird der Betriebsrat bzw. sein Mitglied gar nicht erst Vertragspartner.
  • Tätigwerden des handelnden Betriebsratsmitglieds nur im Rahmen des Beschlusses.
  • Verabredung mit dem beauftragten Berater/Rechtsanwalt, sich selbst mit dem Arbeitgeber bzgl. der Kostentragung ins Benehmen zu setzen.
  • Bei Uneinigkeit zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber über die Kostentragung können diese Streitigkeiten auch vor Gericht im Rahmen eines Beschlussverfahrens geklärt/entschieden, im Eilfall kann auch eine einstweilige Verfügung erwirkt werden.

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