Nach der BR-Wahl: Fehlervermeidung für Arbeitgeber

Die turnusmäßigen Betriebsratswahlen werden auch vom Arbeitgeber mit einer Mischung aus Hoffen und Bangen beobachtet. Schließlich hat er das neugewählte Gremium für vier lange Jahre „an der Backe“. Es könnte also nützlich sein, diese Zäsur als eine Chance zu begreifen, um sich strukturiert mit einem Neubeginn auseinanderzusetzen.

Fehler 1: Fehlende Akzeptanz der Institution „Betriebsrat“

Es ist schon erstaunlich, mit welcher Hartnäckigkeit sich die altbekannten Vorurteile über die jeweils andere Seite bei den Betriebsparteien halten. Betriebsräte und Arbeitgeber nehmen sich in ihrer gefärbten Sichtweise nun wirklich nichts. Fatalerweise wird diese dichotome Denkweise („Wir gut – ihr doof“) auch noch durch die jeweiligen Verbände, Publikationen und auch Ausbildungen angeheizt.

Anders als beim Betriebsrat, erhält die einseitige Sichtweise durch die Tatsache, dass nicht alle Betriebe einen Betriebsrat haben, beim Arbeitgeber eine grundsätzliche Note: Das Existenzrecht wird infrage gestellt. Schließlich geht es bei anderen doch auch ohne!

Diese Denkweise erzeugt ein Problem: Sie bricht sich allen anderslautenden Bekundungen á la „Betriebsrat finde ich wichtig.“ zum Trotz immer wieder Bahn und bestimmt letztlich die Art und Weise des Umgangs mit dem Betriebsrat. Da aber Betriebsräte verständlicherweise ziemlich allergisch darauf reagieren, wenn ihr Arbeitgeber sie eigentlich am liebsten weg haben würde, wird hier Widerstand aus Prinzip geboren, welcher sich durch Härte und Unnachgiebigkeit in Sachfragen bis hin zur Fundamentalopposition äußert.

Wer sich als Arbeitgeber also nicht zu einer grundsätzlich betriebsratbejahenden Position durchringen kann, sollte doch wenigstens aus ökonomischem Opportunismus Respekt, Achtung und Wertschätzung an den Tag legen. Vielleicht hilft es ja dabei, sich zunächst etwas resigniert in sein Schicksal zu fügen, um nicht seine Energie zu verschwenden. Schließlich gibt es für einen Unternehmer Wichtigeres, als sich über den Betriebsrat aufzuregen. Oder musikalisch ausgedrückt: „Glücklich iiiist, wer vergiiiiist, waaas doch nicht zu ändern iiiist.“ (aus: „Die Fledermaus“)

 

Fehler 2: Ahnungslosigkeit

Das Betriebsverfassungsrecht stellt ein komplexes Gebiet innerhalb des ebenfalls komplexen und vor allem dynamischen Arbeitsrechts dar. Dies ist fast allen Betriebsräten bewusst und viele entwickeln einen erheblichen Ehrgeiz darin, zu wahren Experten auf diesem Gebiet zu werden.

Umso erstaunlicher sind die zum Teil erschreckenden Wissenslücken auf Arbeitgeberseite, sei es bei Geschäftsführern, Personalern oder Abteilungsleitern. Schließlich führen diese fast immer zu ärgerlichen und auch teuren Fehlern und Konflikten.

Betriebsräte empfinden die Ahnungslosigkeit der Arbeitgeberseite oftmals als Ausdruck fehlender Achtung und fühlen sich dazu provoziert, den Arbeitgeber mit seiner fehlenden betriebsverfassungs- und arbeitsrechtlichen Fachkompetenz vorzuführen. Gelingt dies mehrfach, entsteht schnell der Eindruck eines auch auf anderen Gebieten inkompetenten Arbeitgebers. Es entstehen dann auch dort Konflikte aus dem Versuch, den Arbeitgeber vor aller Augen zu demaskieren.

Wer einen auch nur halbwegs kompetenten Betriebsrat im Hause hat, sollte alles daran setzen, diesem mindestens auf Augenhöhe begegnen zu können. Dazu ist es allerdings nicht ausreichend, das erforderliche Fachwissen nur in der Geschäftsführung oder im Personalbereich vorzuhalten. Betriebsverfassungsrechtlich schwache Führungskräfte erzeugen durch ihr auf Unkenntnis basierendem Verhalten neben echten Fehlern auch einen Ansporn für den Betriebsrat, denen ebenfalls „mal zu zeigen, wo es lang geht.“ Schließlich handelt es sich dabei oftmals um den eigenen direkten Vorgesetzten, dem man damit mal „eins auswischen“ kann.

 

Fehler 3: Machtgehabe

Betriebsräte lernen sehr früh, dass sie nach dem Willen des Gesetzgebers „auf Augenhöhe“ mit dem Arbeitgeber agieren können sollen. Trotz dieses hehren und immer wieder zitierten Anspruchs wissen alle Betriebsräte insgeheim, dass die wahre Macht letztlich beim Arbeitgeber liegt. Schließlich hat ER das Geld und nicht der Betriebsrat.

Daraus resultiert bei vielen Betriebsräten ein latentes Kleinheitsgefühl, welches gern durch entsprechend aggressives Auftreten überkompensiert wird. Andere suchen wie Spürhunde nach Anzeichen für eine hierarchische Schlechterbehandlung, sei es bei der Vergabe von Firmenparkplätzen oder der Hotelkategorie.

Wer jetzt aber glaubt, durch eine offensive Aufwertung der Betriebsräte á la VW zur Befriedung beitragen zu können, landet nicht nur in einer Anspruchsspirale, sondern begibt sich auf die Rutschbahn gesetzwidrigen Verhaltens, manchmal ohne es zu merken.

Es reicht völlig aus, sich die üblichen unangenehmen und peinlichen Signale von Macht zu verkneifen:

  • herrisch arroganter Auftritt
  • Rechthaberei und Selbstgefälligkeit
  • zu spät kommen
  • auf „dicke Hose“ machen
  • herablassend behandeln, z.B. durch Duzen oder Spitznamen („Mäuschen“)
  • sexistische Sprüche und Witzchen
  • Befehle erteilen
  • anraunzen und runtermachen
  • nicht grüßen
  • Kompetenz und Legitimation absprechen
  • das schönste Büro, den besten Parkplatz, den dicksten Firmenwagen beanspruchen
  • Geschirr einfach stehenlassen

Fehler 4: Vorgaben für die Zusammenarbeit

Das Betriebsverfassungsgesetz gibt nur einen gewissen Rahmen für die Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat vor. Und nicht zuletzt führt der Betriebsrat sein Amt als repräsentatives Mandat, er ist also im gesetzlichen Rahmen frei darin, wie er sein Amt führt, welche Richtung er ihm inhaltlich gibt.

Trotzdem versuchen viele Arbeitgeber gerade bei erstmals gewählten Betriebsräten ein paar Pflöcke einzuschlagen, wenn sie wie nebenbei restriktive Ansagen machen: „Wie wollen hier ja nicht allzu formal werden, oder?“, „Also Gerichtsverfahren gibt es bei uns nicht. Wir lösen unsere Probleme immer intern.“, „Eigentlich läuft ja alles reibungslos bei uns, da braucht Ihr gar nicht so viele Sitzungen.“, „Ich will nicht wieder diesen juristischen Ton in Ihren Beschlüssen lesen müssen. Das geht auch freundlicher!“ usw.

Angenommen, ein „grüner“ Betriebsrat ließe sich davon beeindrucken: Wie wird es wohl sein, wenn dieser Betriebsrat eines Tages „aufwacht“ und merkt, dass er einem billigen Manipulationstrick aufgesessen ist? Eine solche Enttäuschung ist kaum mehr zu reparieren, wir haben schon viele äußerst arbeitgeberfreundliche und betont pflegeleichte Betriebsräte sich zu erbitterten bis haßerfüllten Gegnern wandeln sehen. Und das „nur“, weil sie sich auf eine falsche Fährte gelockt fühlten.

Arbeitgeber tun also gut daran, weder direkt noch indirekt die Rechte und das gesetzlich legitime Verhalten von Betriebsräten beschneiden zu wollen. Wer eine konstruktive Zusammenarbeit wünscht, sollte dies unter Offenlegung aller Wünsche und Bedürfnisse einvernehmlich zu vereinbaren suchen und dabei Übervorteilungen tunlichst vermeiden, denn solche kommen immer irgendwann zurück.

 

Fehler 5: Plötzlicher „Schmusekurs“ oder „harte Kante“

Die Zäsur der Betriebsratswahlen kann und sollte dazu genutzt werden, die bisherige Zusammenarbeit und den eigenen Anteil daran zu reflektieren und bei Unzufriedenheit ggf. ein anderes Verhalten zu probieren. Dies ist grundsätzlich zu begrüßen und wird leider viel zu selten gemacht.

Wer aber zu dem Schluss kommt, sein bisheriges Verhalten ins Gegenteil kehren oder ins Extreme steigern zu müssen, der vergisst dabei, dass pure Reaktionsbildungen selten angemessene und realistische Verhaltensweisen hervorbringen.

Im besten Falle wird beim Betriebsrat nur Misstrauen ausgelöst, denn dieser kennt den Arbeitgeber schließlich bisher ganz anders. Im schlimmsten Fall aber führt das neue Verhalten zu eigenen Fehlern und zu einem spontanen gegenläufigen Verhalten des Betriebsrats. Die ursprüngliche Reflektion führt geradewegs in kopfloses Agieren auf beiden Seiten.

Dabei wäre es viel einfacher, dem Betriebsrat nach dem Prinzip „weg von…, hin zu…“ zu erläutern, was in der Vergangenheit nach eigener Ansicht nicht gut gelaufen ist und wie es stattdessen sein sollte. Einer Veränderung des eigenen Verhaltens gegenüber dem Betriebsrat ist dann selbst ohne eine Vereinbarung über die gewollte Zusammenarbeit deutlich schlüssiger und nachvollziehbarer und dürfte bei Reibungen eher zu einem Gespräch über das „Wie“ des Miteinanders führen, als direkt in heftige (vermeintliche!) Sachkonflikte.

 

Fehler 6: Knauserigkeit

Betriebsratsarbeit kann erhebliche Kosten verursachen, die man als Arbeitgeber sinnvollerweise einzudämmen und zu kalkulieren sucht. Schließlich macht es sich der Gesetzgeber ziemlich einfach, wenn er nur vorgibt, dass die Kosten erforderlicher Betriebsratstätigkeit vom Arbeitgeber zu tragen sind.

Wenn der Arbeitgeber aber nun bei jeder Kleinigkeit die Erforderlichkeit und die Kostenhöhe infrage stellt, kann dies nicht nur im Einzelfall eine strafbewehrte Behinderung der Betriebsratsarbeit darstellen, sondern er erzeugt meistens auch noch weitaus höhere Folgekosten, wenn nämlich der Betriebsrat seinen Anspruch auf dem Rechtsweg durchsetzt.

Betriebsräte reagieren extrem genervt darauf, wenn sie jedesmal auf das günstigere Schulungsangebot verwiesen werden, wenn immer mitgeteilt wird, die Kosten eines gerichtlichen Verfahrens nicht tragen zu wollen, und neigen anschließend zu einer „jetzt erst recht“-Mentalität, die die Durchsetzung im vorliegenden Fall wie auch in allen anderen Finanzfragen zum Ziel hat.

Besser ist es daher, nur in klaren Fällen fehlender Erforderlichkeit und unverhältnismäßiger Kosten zu intervenieren, die eigene Sichtweise darzustellen und mit dem Betriebsrat eine einvernehmliche Lösung anzustreben. In allen übrigen Fällen sollten die Betriebsratsmitglieder z.B. bei Reisen wie Angehörige des mittleren Managements behandelt werden.

 

Fehler 7: Drohungen und Behinderungen

Die Wahl eines Betriebsrats kann sowohl durch die Tatsache als auch das Ergebnis für ziemliche Ärgerlichkeit und auch mehr beim Arbeitgeber sorgen. Dem versuchen viele mehr oder minder direkt Luft zu verschaffen.

Wer gar nicht lange fackelt und die Betriebsratsmitglieder gleich direkt anraunzt, indem er aus seiner Haltung keinen Hehl macht und Drohungen und Verwünschungen ausspricht, der kann bei Frischgewählten durchaus nachhaltige Wirkung damit erzielen. Viele junge Betriebsratsmitglieder erleiden einen heftigen Schrecken, der sie anschließend in eine vermeidende Angststarre fallen oder zur Amtsniederlegung greifen lässt. Treten sie aber nicht zurück, erholen sie sich mit der Zeit und werden, gemeinsam mit ihren erfahreneren Kollegen, die diesen Angriff natürlich auch registriert haben, zu erbitterten Gegnern, die sich nachträglich zu rächen suchen.

Wer sich besser unter Kontrolle hat und das Ärgernis eher strategisch angeht, wird dem Betriebsrat immer wieder Steine in den Weg zu werfen suchen. Auch wenn die damit einhergehenden Spielchen sogar erfahrene Betriebsräte manchmal über lange Zeit mitmachen, so besteht immer die Gefahr, dass diese früher oder später aufwachen und dann wegen Wut und Scham über die eigene Manipulierbarkeit auch nicht mehr vor heftigen Attacken gegen den Arbeitgeber (Stichwort Strafantrag) zurückschrecken.

Als beobachtender Dritter möchte man allzu oft dem Arbeitgeber „Lass´ doch einfach den Unsinn“ zurufen. Drohungen und Behinderungen sind schlichtweg dämlich, denn ihre Auswirkungen lassen sich nunmal nicht kontrollieren. Und sind letztlich wohl deutlich teurer, als der Verzicht auf sie.

Oder um es noch deutlicher zu formulieren: Sie sind ähnlich wie Abmahnungen Ausdruck einer bemitleidenswerten Hilflosigkeit auf fachlicher wie menschlicher Ebene, mit einer unerwünschten Situation anders, vor allem aber produktiver umgehen zu können.

 

Fehler 8: Angriffe auf Ansehen und Existenz

Sie beginnen manchmal schon im Vorfeld von Betriebsratswahlen, wenn die Notwendigkeit, einen Betriebsrat zu brauchen, grundsätzlich und gern auch in einer groß angelegten Kampagne bestritten wird (siehe der Fall SAP vor einigen Jahren). Und nach der Wahl bietet sich mit der Wahlanfechtung die nächste und bei etlichen schon fast obligatorische Möglichkeit, einen Angriff auf die Existenz des Betriebsrats zu starten.

Amtsenthebungsverfahren, Auflösungsantrag, Herauskaufen und Wegbefördern von einzelnen Mitgliedern, Förderung und Duldung von Mobbing, arbeitspraktische und karrierebezogene Benachteiligungen: es gibt auch im Laufe der Amtszeit viele Möglichkeiten, den Betriebsrat so zu schwächen, dass seine Existenz gefährdet ist.

Dazu können auch Aktionen, die den Gesichtsverlust des Betriebsrates bzw. einzelner Mitglieder zum Ziel haben, einen wirkungsvollen Beitrag leisten: Veröffentlichung von BR-Stunden und -Kosten, Abwesenheitszeiten aufgrund von Schulungen, öffentliches Infragestellen von fachlichen Kompetenzen, Vorwurf unlauterer Absichten und Unterstellung schädigender Handlungen, grundsätzlich abschätzige Kommentare über den Betriebsrat in jedem denkbaren Zusammenhang usw.

Sicher wird es eher ängstliche und ungeschulte Betriebsratsmitglieder geben, die sich final dadurch beeindrucken lassen. Doch mit den übrigen Beteiligten wird es alsbald zum Phänomen „Naher Osten“ kommen: Beide Parteien sprechen einander das Existenzrecht in diesem Winkel der Erde (hier: Betrieb) ab, es kommt zu einer fundamentalistischen Gegnerschaft mit immer wieder heftigen und rücksichtslosen Übergriffen, die nur durch eine Mauer bzw. „entmilitarisierte Zone mit neutraler Schutzmacht“ etwas eingedämmt werden können.

Es ist schon eigenartig, dass wir Menschen mit der gleichen Heftigkeit, wie wir Angriffe auf unser Gesicht und unser Existenzrecht abwehren, dann unsererseits solche Angriffe auf andere zu führen imstande sind. Klar, es hat immer der andere damit angefangen, das ist keine wirklich neue Information. Wahre Größe zeigt aber nur der, der seinen eigenen Anteil am Entstehen und Erhalt des Konfliktes erkennen und aus dem Teufelskreis einseitig und mutig aussteigen kann. Hier ist an den Arbeitgeber ein höherer Maßstab als an die Betriebsratsmitglieder anzulegen, da regelmäßige Selbstreflektion zum heutigen Verständnis moderner Führung gehört.

Für den Umgang mit dem Betriebsrat gilt also das Gleiche, wie im übrigen Leben: Einfach mal aus dem Hamsterrad des ewig Gleichen aussteigen und mutig etwas Anderes tun, das vielleicht am Anfang als etwas verrückt und irrwitzig empfunden werden mag. Aber nur so kann man auch als Arbeitgeber auf Dauer einigermaßen derselbe bleiben, wenn man sich an die Gegebenheiten der Umwelt in förderlicher Weise anpasst, anstelle sich irgendwann von einem Arbeitsgericht sagen lassen zu müssen, dass man ab sofort bei jeder Wiederholung des alten Verhaltens von einem Ordnungsgeld bedroht ist. Wer will sich schon als Erwachsener freiwillig wie ein gemaßregeltes Kind fühlen?

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