Bitte streng bleiben, liebes BAG: keine Erleichterung der Beschlussfassung des Betriebsrats!

Ladungsmängel führen immer wieder zur Unwirksamkeit von Beschlüssen. Jetzt will der Erste Senat des BAG vom Siebten Senat, dass dieser seine bisherige strenge Rechtsprechung, die neben der rechtzeitigen Einladung auch die Mitteilung der Tagesordnung zwingend verlangt, lockert (BAG, Pressemitteilung). So erleichternd dies aus Betriebsratssicht vielleicht zunächst erscheinen mag, so geeignet wäre es, der missbräuchlichen kreativen Ladungsgestaltung die Tür zu öffnen und den Zwist unter den Betriebsratsmitgliedern zu schüren.   

Wie der Pressemitteilung zu entnehmen ist, soll der Betriebsratsvorsitz zwar rechtzeitig alle BRM einladen, aber er kann auf die Mitteilung der Tagesordnung verzichten, wenn der BR in der dann anschließenden Sitzung beschlussfähig ist und die anwesenden BRM einstimmig beschließen, über den zur Debatte stehenden Tagesordnungspunkt zu beraten und abzustimmen.

Dies mag auf den ersten Blick schlüssig und harmlos wirken, dürfte aber in der Praxis bei cleverer Anwendung einer solchen neuen Möglichkeit, auf die Meinungsbildung des Betriebsrats einzuwirken, erhebliche Auswirkungen mit großem Konfliktpotential haben:

Die rechtzeitige Ladung zur Betriebsratssitzung unter Mitteilung der Tagesordnung soll die Betriebsratsmitglieder in die Lage versetzen, auch in einem möglichen Verhinderungsfalle entscheiden zu können, ob sie nicht doch z.B. den Urlaub unterbrechen wollen, um an dieser aus ihrer Sicht wichtigen Sitzung teilzunehmen. Um zu dieser Entscheidung kommen zu können, muss der Vorsitz in der Tagesordnung alle wichtigen Angaben machen, damit sich das Betriebsratsmitglied ein Bild vom Inhalt der jeweiligen TOPs machen und entsprechend vorbereiten kann. Dazu kann im Einzelfall auch gehören, trotz einer angekündigten Verhinderung dennoch zur Sitzung zu erscheinen.

Fällt die Mitteilung der Tagesordnung weg, kann es zu Zusammensetzungen des Betriebsrats in der Sitzung kommen, die starken taktischen Interessen des Vorsitzes bzw. einer Gruppierung im BR, der er angehört, folgen. Fehlen nämlich Erstmitglieder, deren abweichende Meinung zum Gegenstand des (nicht vorher mitgeteilten) Tagesordnungspunkts bekannt ist, kann die notwendige Mehrheit zu einem der eigenen Meinung folgenden Beschluss viel leichter zustande kommen.

In vielen Gremien mit starker Fraktionsbildung wird schon heute versucht, die gewünschten Beschlüsse auch durch eine an bekannten Sitzungsabwesenheiten orientierte Gestaltung der Tagesordnungen zu erreichen. Eine Änderung der Rechtsprechung des BAG würde solch undemokratischen Machenschaften weiteren Auftrieb verschaffen und den zeit- und kostenträchtigen Streit im Gremium weiter anheizen.

Fazit: Spätestens mit einer Änderung der Rechtsprechung des BAG empfiehlt es sich, undemokratischen Versuchungen durch einen Passus in der Geschäftsordnung, der die rechtzeitige Mitteilung an alle Betriebsratsmitglieder zwingend vorschreibt, vorsorglich den Boden zu entziehen.

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