In fast jedem BR-Büro steht mittlerweile ein Computer, mit dem der Betriebsrat auch das Internet nutzen kann. Das war nicht immer so. Doch die Freude über den Internetzugang währte nur kurz, denn meist sind diese Rechner über das firmeneigene Intranet mit dem WWW verbunden. Rein technisch ist damit eine Vielzahl an Möglichkeiten zur Überwachung der Betriebsratsaktivitäten gegeben. Präventiver Schutz und Kontrolle stellen sich für die Betriebsräte immer schwieriger dar.
Wer sich im vergangenen Jahr über die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, 18.07.2012, 7 ABR 23/11) zur Zulässigkeit eines Gruppenaccounts aller Mitglieder eines Gremiums für den Zugang zum Internet gefreut hatte, dem versetzte das LAG Baden-Württemberg mit seinem Beschluss vom 23.01.2013 (13 TaBV 8/12) einen Dämpfer.
Das BAG hatte den Betriebsräten einen gemeinsamen Internet-Account zugestanden, da sich der Arbeitgeber in einer Gesamtbetriebsvereinbarung das Recht zur Überwachung der ansonsten immer personalisierten Internet-Accounts ausbedungen hatte. Dies ist insofern nicht zu beanstanden, als dass ihm beispielsweise auch ein Einsichtsrecht in alle dienstlichen E-Mails zusteht, denn diese sind Teil der Tätigkeit der Arbeitnehmer und somit Eigentum des Arbeitgebers. Schwierig wird es, wenn der Arbeitgeber zusätzlich auch die private Nutzung von Internet und E-Mail während der Arbeitszeit zulässt (siehe auch unseren Artikel „Private E-Mails am Arbeitsplatz„.
In seiner Entscheidung gab das BAG dem Schutzbedürfnis des Betriebsrats vor der Kontrolle der einzelnen Betriebsratsmitglieder durch den Arbeitgeber den Vorrang. Damit folgt es seiner Rechtsprechung, die z.B. auch die Speicherung der Telefonverbindungsdaten des BR-Anschlusses verbietet.
Nun mögen besonders vorsichtige Betriebsräte einwenden, dass auch der Gruppenaccount über das betriebliche Intranet läuft und somit zwar keine personalisierbare, aber immer noch grundsätzliche Überwachungsmöglichkeit gegeben sei. Dies mag jetzt dem einen oder anderen als spitzfindig oder gar paranoid erscheinen, jedoch muss berücksichtigt werden, dass das Vertrauen in die Vertraulichkeit beim Kontakt mit dem Betriebsrat für viele Arbeitnehmer von wesentlicher Bedeutung ist und damit eine wichtige Grundlage für die Arbeit des Betriebsrats darstellt.
Insofern ist es durchaus nachvollziehbar, wenn Betriebsräte zur Erleichterung der Kontaktaufnahme mit dem Betriebsrat z.B. ihre Sprechstunden in einem Raum abhalten, dessen Zugangswege kaum eingesehen und überwacht werden können, oder aber einen Zugang zum Internet einrichten lassen, der nicht über das Intranet läuft und über den sie eine externe Betriebsrats-Mailadresse einrichten und sicher abfragen können.
Doch dieser Maßnahme zum Schutz der KollegInnen hat nun das LAG BW einen Riegel vorgeschoben. Nach seiner Ansicht kann der Betriebsrat die Einrichtung bzw. das Betreiben eines solchen meist kostenträchtigen Anschlusses nicht verlangen, wenn betriebsüblicherweise der Zugang zum Internet über das Intranet bereitgestellt wird. Hier hat das Gericht das subjektive und präventive Schutzbedürfnis des Betriebsrats hinter das berechtigte Interesse des Arbeitgebers auf Vermeidung nicht erforderlicher Kosten gestellt.
Wer nun aber glaubt, sich in sein Schicksal fügend das Beste aus der Situation machen zu können, indem er dann halt durch umfangreiche Kontrollen der Logfiles des Betriebsrats-Accounts sicherstellt, dass keine unzulässige Überwachung durch den Arbeitgeber bzw. die Administratoren stattfindet, für den hat das Arbeitsgericht Wesel (17.11.2011, 5 BV 17/11) eine besonders frustrierende Nachricht parat: Hat der Betriebsrat einen umfassenden Unterlassungsanspruch gegen die erfolgte unberechtigte Einsichtnahme des Arbeitgebers in die Dateien des Betriebsrats erfolgreich durchgesetzt, hat er kein Recht, die Einhaltung seines Anspruchs durch Einsichtnahme in die Logfiles seines Accounts zu überprüfen. Der Betriebsrat muss darauf vertrauen, dass seine Dateien auf dem zentralen Laufwerk als Unterlagen des Betriebsrats nicht von Dritten eingesehen werden. Über den bereits erreichten Unterlassungsanspruch hinaus bestehe kein Rechtsschutzinteresse, auch in Bezug auf eine mögliche Verbesserung der Datensicherheit.
Wie der Betriebsrat dann bei einem erneuten Verstoß diesen zur Verhängung eines Ordnungsgeldes nachweisen soll, bleibt schleierhaft, zumal das LAG Düsseldorf die Sichtweise des AG Wesel bestätigt hat (LAG Düsseldorf, 07.03.2012, 4 TaBV 11/12).
Als Arbeitgeber kommt Ihnen diese Rechtsprechung schon allein unter dem Kostengesichtspunkt sicher gelegen. Dennoch sollten Sie überlegen, was Ihnen einen produktive weil vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Ihrem Betriebsrat vielleicht wert ist. Einmal verlorenes Vertrauen ist nur sehr schwer wieder zurückzugewinnen, deswegen sollten Sie angesichts der Arbeitnehmerdaten-Skandale der vergangenen Jahre, auch wenn bei Ihnen alles absolut sauber läuft, keinen Anlass geben, an den sich das Misstrauen Ihres Betriebsrats heften kann. So schwer oftmals die kritische und misstrauische Haltung vieler Betriebsräte für Außenstehende zu verstehen ist, so ist doch jeder Versuch, diese durch rational-nüchternes Argumentieren zu verändern, zum Scheitern verurteilt. Lieber sollten Sie überlegen, mit welchen (auch großzügigen) Gesten Sie Ihren Betriebsrat verblüffen, seine vorgefassten Meinungen irritieren wollen.
Wenn Sie als Betriebsrat das Thema Internet, E-Mail, PC und Co. nach §87 (1) Nr.6 BetrVG in einer Betriebsvereinbarung regeln wollen, sollten Sie immer auch die Überwachung der BR-Rechner ausschließen und die durch die Logfiles erfassten Parameter auf das für den technischen Betrieb erforderliche absolute Mindestmaß beschränken. Holen Sie sich dazu bei der Erarbeitung der BV externen Sachverstand dazu und führen Sie mit diesem und den Mitarbeitern der IT-Abteilung entsprechende Gespräche.
Wenn Sie einen Gesamt- oder Konzernbetriebsrat haben, so wird das unternehmens- bzw. konzernweite Intranet meist in die originäre Zuständigkeit des GBR bzw. KBR fallen. Sorgen Sie als Einzel-BR dafür, dass in die GBV bzw. KBV der Überwachungsausschluss sowie ein eigenständiges Überwachungsrecht für die Einzel-BR aufgenommen wird. Sollten Sie, wie im obigen Fall, als Einzel-BR bereits einen Unterlassungsanspruch erfolgreich durchgesetzt haben, können Sie Ihr Überwachungsansinnen auch an den GBR/KBR herantragen und dann, falls dieser fündig wird, auf dieser Basis die Verhängung eines Ordnungsgeldes erwirken.
Haben Sie berechtigten Grund zur Annahme, Sie würden von Ihrem Arbeitgeber überwacht, können Sie neben rechtlichen Schritten auch über eine radikale Veränderung Ihres Nutzungsverhaltens nachdenken. Bedenken Sie: Die Kommunikationsmittel, die schon vor der Erfindung des WWW die Betriebsratsarbeit ermöglicht haben, stehen Ihnen immer noch zur Verfügung! Außerdem werden sicher viele von Ihnen über einen privaten Internet-Zugang verfügen, so dass Sie für die wirklich heiklen Vorgänge nicht auf das Intranet zurückgreifen müssen (hier müssen Sie aber ggf. andere Sicherheitslücken schließen und das Thema Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse beachten!). Sie können auch überlegen, das Intranet für gezielte Test- oder Falschinformationen zu nutzen, um zu prüfen, ob an Ihrem Verdacht wirklich etwas dran ist.
Ob Sie die völlige Offenheit und Transparenz Ihrer Arbeit, wie von etlichen Internet-Apologeten seit Jahren gepredigt, angehen wollen, um einer drohenden Burgmentalität mit Paranoia und Verschwörungstheorien zu entgehen, sollten Sie sehr genau abwägen. Sie könnten damit sowohl Ihre KollegInnen als auch Ihren Arbeitgeber schlichtweg überfordern.