Koalitionsvertrag: Arbeitnehmerdatenschutz lässt weiter auf sich warten

Schon in der vergangenen Legislaturperiode ließ die schwarz-gelbe Koalition trotz zahlreicher Datenskandale keine besonderen Ambitionen erkennen, einen gesetzlich verankerten Arbeitnehmerdatenschutz voranzubringen. Nachdem 2010 ein Gesetzesentwurf zu einem Beschäftigtendatenschutzgesetz vorgelegt wurde, zog die Bundesregierung nach langem HickHack den aktuellen Entwurf im Januar 2013 wieder zurück. Passiert ist seitdem gar nichts und die entsprechende Passage im schwarz-roten Koalitionsvertrag lässt Frau Merkels Handschrift („Erst mal abwarten, was die anderen machen.“) klar erkennen. 

So heißt es auf Seite 70:

Beschäftigtendatenschutz gesetzlich regeln 

Die Verhandlungen zur Europäischen Datenschutzgrundverordnung verfolgen wir mit dem Ziel, unser nationales Datenschutzniveau – auch bei der grenzüberschreitenden Datenverarbeitung – zu erhalten und über das Europäische Niveau hinausgehende Standards zu ermöglichen. Sollte mit einem Abschluss der Verhandlungen über die Europäische Datenschutzgrundverordnung nicht in angemessener Zeit gerechnet werden können, wollen wir hiernach eine nationale Regelung zum Beschäftigtenda-tenschutz schaffen.

 

Informantenschutz im Arbeitsverhältnis 

Beim Hinweisgeberschutz prüfen wir, ob die internationalen Vorgaben hinreichend umgesetzt sind.

Der geübte Leser freut sich vielleicht, so viele unbestimmte Begriffe entdecken zu können („angemessen“, „hiernach“, „prüfen“, „hinreichend“), doch praktisch verheißt solch ein Wischiwaschi nichts Gutes: es wird mal wieder abgewartet und auf die anderen geschaut, statt selber voranzugehen und nach eigenen Maßstäben zu handeln.

Wenn Menschen am Ende von Verhandlungen nicht in der Lage sind, zu einem konkreten „Wer macht was bis wann“ im Sinne der getroffenen inhaltlichen Vereinbarung zu kommen, scheint zumindest eine Partei (wenn nicht gar beide bzw. alle Beteiligten) kein echtes Interesse an einem Praxistransfer zu haben. Die (manchmal sogar bewusste) Vermeidung der Konkretisierung ist bereits ein erster Ausläufer der dann oft einsetzenden unbewussten Sabotage. Die in den Verhandlungen gefundene Lösungsvariante verheißt offenkundig kein ausreichend attraktives und lohnenswertes Ziel, das es wert ist, den Preis der dafür notwendigen Veränderung des gegenwärtigen Zustands zu zahlen.

Bei den Koalitionären könnte man schlichtweg sagen, dass bei ihnen die Energie zur Erreichung des propagierten Ziels „Arbeitnehmerdatenschutz“ einfach nicht ausreicht. Oder anders gesagt: Sie wollen es einfach nicht! (Dies ist oft der Fall bei Zielen, die mit Formulierungen wie „man sollte“, „man müsste“, „es wäre besser, wenn“ daherkommen.)

Es könnte aber auch mit der Art, wie die Koalitionsverhandlungen abgelaufen sind, zu tun haben. Das Ergebnis lässt nämlich vermuten, dass bei einigen Punkten der Regler zwischen den Positionen einfach so lange hin und her geschoben wurde, bis ein einigermaßen erträglicher Kompromiss erreicht war. Das Problem bei solchen Kompromissen: sie erzeugen Unzufriedenheit auf beiden Seiten, erhöhen damit die Wahrscheinlichkeit und Heftigkeit von Folgekonflikten und stellen selten eine gute Lösung für das Ausgangsproblem dar. Besonders dumm wird es, wenn unter den Folgen einer solch unintelligent gefundenen Problemlösung unbeteiligte Dritte, in diesem Falle wir, das Volk, zu leiden haben.

In anderen Punkten scheinen die Koalitionäre nur vordergründig einen Ansatz der Mediation verwendet zu haben: Die das Feld der möglichen Lösungen erweiternde Möglichkeit, dem anderen ein abseits vom Hauptkonflikt liegendes Anliegen quasi „rüberzuschenken“, um dafür an anderer Stelle wie z.B. dem Hauptkonflikt etwas zu bekommen, kann die Einigung oftmals stark beschleunigen. Die Koalitionäre haben ihr „Gibst Du mir dies, geb´ ich Dir das“-Spielchen (z.B. Maut für Mindestlohn) aber wohl eher zwecks Gesichtswahrung betrieben, als funktionale Lösungen im Sinne einer gemeinsamen Vorstellung von der Entwicklung unseres Landes zu finden. Verantwortungsbewusstsein sieht anders aus.

Wer als Betriebsrat nicht auf die Überwindung kleingeistiger Egoismen in der Politik warten will, kann schon jetzt seine Beteiligungsrechte nutzen, um die Daten seiner KollegInnen zu schützen: Vorrangig sind hier die erzwingbare Mitbestimmung bei technischen Einrichtungen nach §87 (1) Nr.6 und das Überwachungsrecht nach §80 (1) BetrVG zu nennen. Bei der Entwicklung einer entsprechenden Betriebsvereinbarung sollte sich der Betriebsrat nicht nur rechtlich, sondern auch hinsichtlich der technischen Besonderheiten von Spezialisten beraten lassen. Funktioniert der betriebliche Datenschutzbeauftragte nicht richtig, kann seine Abberufung aufgrund fehlender Sachkenntnis verlangt werden. Und letztlich kann überlegt werden, ob der Landesdatenschutzbeauftragte nicht irgendwie Kenntnis von den Vorgängen bekommen sollte…

Als Arbeitgeber können Sie sich überlegen, ob Datensammeln oder Überwachung wirklich zu Ihrem Kerngeschäft gehört. Sie sollten auch bedenken, dass durch Datenskandale verlorenes Vertrauen auch intern sehr viel Geld kostet. Sie haben es selbst in der Hand, durch Beachtung des Grundsatzes der Datensparsamkeit für ein vertrauensvolles und offenes Arbeitsklima und damit für motivierte Mitarbeiter zu sorgen.

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