Leitsätze für die erfolgreiche Wahlvorstandsarbeit

Die Vorschriften für Betriebsratswahlen sind streng und kompliziert, schon kleine und kleinste Fehler können zur Ungültigkeit der Wahl führen. Erfahrene Wahlvorständler wissen, dass ihre Arbeit zu einem großen Teil daher aus Fehlervermeidung besteht. Denn Stolpersteine liegen für die juristischen Laien an jeder Ecke und die „größten Klopper“ passieren neben Unkenntnis oft auch aus den allerbesten Motiven heraus. Eine grundlegende Arbeitsstrategie kann dabei helfen, nicht nur die üblichen „häufigsten Fehler bei der Betriebsratswahl“ zu vermeiden.   

Der Wahlvorstand arbeitet als Team

Die an den Betriebsrat angelehnte Organisationsstruktur mit Vorsitz und Stellvertretung verleitet Wahlvorstände allzu leicht, lästige Arbeiten auf eine Person abzuwälzen. Schnell sind da aber auch wichtige Aufgaben dabei, die die ganze Aufmerksamkeit und vor allem Kompetenz des Gremiums brauchen. Daher müssen sich die Mitglieder gerade in kleinen Wahlvorständen darauf einstellen, dass alle gleichsam mit Aufgaben belastet werden. Dies gilt insbesondere für die zwei „heißen Phasen“ rund um Erlass des Wahlausschreibend bis nach Ende der Einreichungsfrist für Wahlvorschläge sowie rund um den/die Wahltag(e). Hier ist mit erheblichem Zeitaufwand bzw. erheblichen Abwesenheiten vom normalen Arbeitsplatz zu rechnen.

 

Absolut korrektes Wahlverfahren

Die Wahlvorschriften erscheinen vielen als lästig formalistisch bis hin zur völligen Unsinnigkeit. Da kann man schnell mal dazu verleitet sein, es nicht so genau zu nehmen. Schließlich entscheidet der Wahlvorstand selber, wie er seine Arbeit organisiert, welche Informationen er braucht und wie er im Rahmen seiner Ermessensentscheidungen entscheidet. Doch auch hier gilt, dass schon kleinste Abweichungen zur Anfechtbarkeit führen können. Daher haben die Ermessensentscheidungen (z.B. über leitende Angestellte, Gültigkeit von Vorschlagslisten, Einsprüchen etc.) auch immer pflichtgemäß zu erfolgen, für Willkür und Bequemlichkeit ist schlichtweg kein Platz. Daher ist absolute Neutralität oberstes Gebot, eigene Vorstellungen oder Interessen dürfen die Entscheidungen nicht beeinflussen.

 

Absolut korrektes Verhalten

  • als Gremium: Den Wahlvorstand treffen dieselben Erfordernisse hinsichtlich seiner Amtsführung wie den Betriebsrat. Hervorzuheben ist dabei die ordnungsgemäße Beschlussfassung, die ja schon bei der korrekten Einladung beginnt. Denn anders als der Betriebsrat, der seine formalen Fehler fast immer im Nachgang noch heilen kann, agiert der Wahlvorstand in einem engen zeitlichen wie formalen Korsett, welches nachträgliche Korrekturen insbesondere an unwirksamen Beschlussfassungen kaum zulässt.
  • als Wahlvorstandsmitglied / Arbeitnehmer: Arbeitnehmer und Arbeitgeber müssen Vertrauen in den korrekten Wahlablauf haben können. Da sie selten über die fachliche Kompetenz verfügen und auch kaum direkten Einblick haben, es das Ansehen, welches der Wahlvorstand und seine Mitglieder genießen, von entscheidender Bedeutung für das Entstehen von Vertrauen. Das korrekte, vertrauenswürdige Verhalten, egal in welcher Rolle, trägt entscheidend zum nötigen Ansehen bei. Im Übrigen schützt das korrekte individuelle Verhalten auch die Mitglieder selbst, denn hier können Nachlässigkeiten, wie das fehlende Abmelden zur Wahlvorstandstätigkeit (und die Rückmeldung!), dazu führen, dass über Abmahnungen bis hin zu fristlosen Kündigungen gravierende Nachteile für das einzelne Mitglied und Beschädigungen des Amtes entstehen.

 

Lückenlose Dokumentation des eigenen Handelns

Kommt es zur Anfechtung, ist nicht der Wahlvorstand der Anfechtungsgegner, sondern der neugewählte Betriebsrat. Dieser muss dann anhand der Wahlakte im Zweifel beweisen, dass das Wahlverfahren korrekt abgelaufen ist. Es nützt also nichts, wenn man alles richtig gemacht hat, wenn es hinterher keiner weiß. Daher sollte der Wahlvorstand nicht nur seine Beschlüsse im Protokoll festhalten, sondern jeden einzelnen Handlungsschritt, wie z.B. den Aushang des Wahlausschreibens oder die Versendung von Briefwahlunterlagen, anhand eines von mindestens zwei Wahlvorstandsmitgliedern mit Datum und Uhrzeit zu unterzeichnenden Protokolls dokumentieren. Entsprechende Vermerke auf den Dokumenten selbst sind hilfreich, die Quittierung des Erhalts bei Übergabe auf einer Kopie ist selbstverständlich. Auch Fotos von Aushängen oder dem Wahllokal können im Streitfall von entscheidender Bedeutung sein.

 

Kompetentes und selbstsicheres Auftreten

Nicht nur das formal komplizierte Wahlverfahren mit seinen auch juristisch anspruchsvollen Ermessensentscheidungen führen zur Verunsicherung des Wahlvorstands, oftmals wird auch von verschiedensten Seiten versucht, Einfluss zu nehmen. Diesen Fährnissen kann der Wahlvorstand nur durch eigene fachliche Kompetenz und Kenntnis der eigenen Rechtsstellung sowie seiner Rechte und Pflichten begegnen. Erst dann wird Einflussnahmen bis hin zu Wahlbehinderungsversuchen mit der nötigen Durchsetzungskraft den Boden entziehen.

 

Alle Entscheidungen gegenchecken

Wie schnell ist man sich doch einig, dass das vorgeschlagene Vorgehen in Ordnung ist, wenn man es „beim letzten Mal“ genauso gemacht hat, man aus Bequemlichkeit den Aufwand scheut oder einfach keinen Stress mit dem Arbeitgeber oder den Kollegen haben will. Doch damit ist der erfolgreichen Anfechtung Tür und Tor geöffnet. Die Kontrollfrage muss daher an jedem Punkt lauten: „Ist das wirklich so? Woher wissen wir, dass das so richtig ist?“ Dieses Denken sollte eigentlich von allen Wahlvorstandsmitgliedern gepflegt werden, es kann aber auch die Rolle des „advocatus diaboli“ im Gremium vergeben werden, deren Aufgabe es ist, alles kritisch zu hinterfragen und die anderen zur Genauigkeit zu zwingen.

 

Klare Trennung der Rollen

Wahlvorständler sind mindestens auch Arbeitnehmer, wenn nicht gar noch Betriebsratsmitglied, Kandidat, Gewerkschaftsmitglied usw. All diese Rollen bringen jeweilige Interessenlagen mit sich, die die Arbeit als Wahlvorstandsmitglied in unzulässiger und schädlicher Weise beeinflussen können. Es ist daher von großer Bedeutung, die Rollen strikt voneinander zu trennen. Es muss zu jeder Zeit für das Wahlvorstandsmitglied selbst, aber auch für andere klar erkennbar sein, „welchen Hut man gerade auf hat.“ Eine Missachtung dieses Grundsatzes kann Auswirkungen auf das Wahlverfahren wie auch das einzelne Mitglied haben. So ist z.B. dem Wahlvorstand Wahlwerbung verboten, dem Arbeitnehmer und/oder Kandidaten nicht, für den Betriebsrat stellt es keine erforderliche Tätigkeit dar. Bei Missachtung beeinflusst der Wahlvorstand die Wahl, dem Betriebsratsmitglied drohen Abmahnung und Gehaltskürzung.

 

Informationsquellen nutzen

Sicher, man kann eine Betriebsratswahl auch nach dem eigenen demokratischen Bauchgefühl durchführen. Es darf dann nur niemand nicht damit einverstanden sein und die Wahl anfechten. Einem solchen Risiko sollte der Wahlvorstand den nachfolgenden Betriebsrat (denn dieser ist der Geschädigte, nicht der Wahlvorstand!) nicht aussetzen und die zur ordnungsgemäßen Durchführung notwendigen fachlichen Kompetenzen erwerben. Dabei können Leitfäden eine gute Möglichkeit darstellen, sich einen ersten Überblick zu verschaffen. Da die Arbeitswelt heutzutage aber doch recht komplex geworden ist, können diese niemals die tatsächliche betriebliche Situation abbilden, die Gefahr falscher Entscheidungen steigt damit. Neben einer umfangreichen Schulung wird daher in der Praxis immer auch vorkommen, dass der Wahlvorstand im Laufe des Verfahrens komplizierte Fragestellungen nur durch einen kompetenten Berater wird beantworten können. Eine gute Hilfestellung bieten auch die im Internet zu findenden Angebote von Foren bis hin zum Wiki.

 

Sich reinknien

Wahlvorstandsarbeit ist nicht nebenbei getan, weder zeitlich noch fachlich. Sie ist auch nichts für Weicheier, denn es kommt unweigerlich zu belastenden Situationen innerhalb des Gremiums wie auch ggf. mit dem Arbeitgeber und den KollegInnen. Verantwortungsbewusste Wahlvorstandsarbeit setzt voraus, dass man die Chance ergreifen will, sich mit komplizierten Formalitäten in einem juristischen Kontext auseinanderzusetzen. Wer Wahlvorstand sein will, wird viel lernen wollen müssen.

2 Gedanken zu “Leitsätze für die erfolgreiche Wahlvorstandsarbeit

  1. Wenn es so wäre. Ich als Vorsitzender der Wahlkommission für die Wahl der SBV habe so gut wie keinen Einfluss. Es wird alles durch den BR gemacht. Ich kann nur in meiner Freizeit oder vor Arbeitsbeginn zu den Sitzungen des Wahlvorstandes. Da wird alles von 2 Mitgliedern des BR alles gemanagt und geleitet. Ich leiste nur noch meine Unterschrift. So wie es gefordert ist gibts bei uns nicht.
    MFG Volker Sefzat

    • Hallo Herr Sefzat,

      ohne Ihre Situation im Detail zu kennen, erlaube ich mir hier ein paar Anmerkungen:

      In der Schwerbehindertenvertretungswahlordnung heißt es zu Anfang:
      § 1 Bestellung des Wahlvorstandes
      (1) Spätestens acht Wochen vor Ablauf ihrer Amtszeit bestellt die Schwerbehindertenvertretung einen
      Wahlvorstand aus drei volljährigen in dem Betrieb oder der Dienststelle Beschäftigten und einen oder eine von
      ihnen als Vorsitzenden oder Vorsitzende.
      (2) Ist in dem Betrieb oder der Dienststelle eine Schwerbehindertenvertretung nicht vorhanden, werden der
      Wahlvorstand und dessen Vorsitzender oder Vorsitzende in einer Versammlung der schwerbehinderten und
      diesen gleichgestellten behinderten Menschen (Wahlberechtigte) gewählt. Zu dieser Versammlung können drei
      Wahlberechtigte oder der Betriebs- oder Personalrat einladen. Das Recht des Integrationsamtes, zu einer solchen
      Versammlung einzuladen (§ 94 Abs. 6 Satz 4 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch), bleibt unberührt.

      Danach wäre Ihre Konstellation nur dann auf einer entsprechenden Wahl ordnungsgemäß zustande gekommen, wenn neben Ihnen nur noch die beiden BR-Mitglieder gewählt worden sind. Ist dies der Fall, wäre die Konstellation an sich nicht zu beanstanden.

      Als Vorsitzender des Wahlvorstandes führen Sie die Amtsgeschäfte des Wahlvorstandes, d.h. z.B., dass Sie zu den Sitzungen einladen, die Tagesordnung erstellen, die Sitzung leiten und die Beschlüsse des Wahlvorstandes ggf. Ihrem Arbeitgeber mitteilen. Da es für Wahlvorstände im Allgemeinen kaum eigene Vorschriften zur korrekten Amtsführung gibt, orientiert man sich da an den Vorschriften zur Amtsführung des Betriebsrats.

      Weiter heißt es in §94 SGB 9:
      (6) Die Vertrauensperson und das stellvertretende Mitglied werden in geheimer und unmittelbarer Wahl nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl gewählt. Im Übrigen sind die Vorschriften über die Wahlanfechtung, den Wahlschutz und die Wahlkosten bei der Wahl des Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- oder Präsidialrates sinngemäß anzuwenden. (…)

      Dies bedeutet, dass Sie Ihre Tätigkeit als Wahlvorstand innerhalb Ihrer normalen Arbeitszeit leisten, alles andere kann eine strafbewehrte Behinderung der Tätigkeit des Wahlvorstandes darstellen. Zur Kostentragungspflicht des Arbeitgebers bzgl. der Kosten der Wahl gehört auch eine entsprechende Schulung des Wahlvorstandes. Dies ist angesichts der für den juristischen Laien enormen Komplexität des Wahlverfahrens sowie der durch Fehler des Wahlvorstandes ständig drohenden Gefahr einer erfolgreichen Anfechtung der Wahl immer anzuraten.

      Ich empfehle Ihnen die Lektüre der für Sie und Ihr Amt geltenden Vorschriften hier und hier.
      Die entsprechend anzuwendenden Vorschriften aus dem Betriebsverfassungsgesetz sowie Hinweise und Tipps für Ihre Amtsführung finden Sie auch in unserem Wiki zur Betriebsratswahl .

      Bitte zögern Sie nicht, uns bei Fragen auch zur Durchsetzung innerhalb des Wahlvorstandes zu kontaktieren: 040 – 35 00 49 70.

      Mit freundlichen Grüßen,
      Sebastian Schoberansky

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