Halbzeit für den Betriebsrat: Standortbestimmung 2012

von Mediator und Coach Sebastian Schoberansky

Zur Hälfte der Amtszeit nach den turnusmäßigen Wahlen zum Betriebsrat ist es für die weitere Arbeit in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode von großem Nutzen, einen Rückblick auf die Arbeit der vergangenen Zeit zu werfen, um eine Standortbestimmung vorzunehmen. Gut, wenn sich der Betriebsrat am Anfang seiner Amtszeit die Mühe gemacht hat, eine Bestandsaufnahme zu machen, seine Ziele und sein Selbstverständnis zu definieren sowie einen langfristigen Arbeitsplan zu erstellen. Denn wenn er sich in einer grundlegenden Debatte gemeinsam eine Basis geschaffen hat, wird die Bewertung der Ergebnisse der Bilanz nicht so weit auseinandergehen, als wenn alle Mitglieder ohne ein gemeinsames Bild vor sich hin gewurschtelt haben.  

Gleichwohl sollte die Bilanz nicht nur hinsichtlich etwaiger Abweichungen vom Ursprünglichen diskutiert werden. Vielmehr kann es erforderlich sein, aufgrund der gemachten Erfahrungen Ziele und Wege erneut zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Um diesen Schritt erfolgreich durchführen zu können, sollte unbedingt vorab auch das Selbstverständnis des Betriebsrats, seine Werte und Überzeugungen ausreichend diskutiert und gegebenenfalls das bisherige Bild korrigiert werden.

Unabhängig davon, ob sich der Betriebsrat eines externen Moderators bedient oder sich auf eine interne Leitung einigt, sollte er sich für diesen Prozess genügend Zeit und einen ausreichend großen Raum abseits der gewohnten Arbeitsumgebung nehmen, um ein störungsfreies Arbeiten zu gewährleisten.

Folgende Fragen können genutzt werden, um durch den Prozess zu leiten:

  • Wie geht es mir gerade, was beschäftigt mich, was brauche ich, um hier gut arbeiten zu können?
  • Wie war die Situation am Anfang der Amtszeit: Welche Probleme/Konflikte bestanden, wie war das Verhältnis zu Arbeitgeber/KollegInnen/anderen BRM? Welches „Erbe“ vom alten BR wurde vorgefunden? Was wollten die einzelnen BRM im BR erreichen/was war ihnen wichtig/was hat sie motiviert in den BR zu gehen, welche Werte/Überzeugungen sollten die Arbeit des BR leiten? Welche Erwartungen bestanden seitens AG/KollegInnen, welches Bild von sich wollte der BR nach Außen abgeben?
  • Welche Ziele hatte der BR für sich definiert, welche Aufgaben wurden identifiziert und vergeben? Wie sah der Arbeitsplan aus, wie sollten die Aufgaben bewältigt werden?
  • Welche Ziele wurden erreicht und auf welche Weise, welche Aufgaben wurden wie erledigt? Woran lag es, dass diese Ziele erreicht/Aufgaben erledigt wurden, welche Qualitäten/Kompetenzen/Fähigkeiten/Ressourcen (von welchem BRM) machten dies möglich? Wo war der BR trotz widriger Umstände/fehlender Voraussetzungen erfolgreich und woran lag das?
  • Wie ist das jetzige Verhältnis zu AG/KollegInnen, wie ist die Stimmung im BR? Welches Bild haben der AG/die KollegInnen/die BRM vom BR und wie kam das zustande?
  • Welche Entwicklungen haben überrascht? Was ist richtig schief gelaufen? Was kann daraus für die Zukunft gelernt werden und was muss getan werden, damit das nicht wieder passiert?
  • Womit fühle ich mich unwohl, was soll sich unbedingt ändern, worin muss ich/der BR besser werden? Wer kann was dazu beitragen, damit die Veränderung gelingt?
  • Was wünsche ich mir für die Zukunft: für mich/den BR/den Betrieb?
  • Stimmen Werte/Wege/Aufgaben/Ziele noch mit dem Gewünschten überein? Wo muss der BR welche Veränderungen vornehmen?
  • Auf welche Werte/Aufgaben/Ziele/Vorgehensweisen, auf welches Verhalten untereinander/gegenüber AG und KollegInnen kann sich das Gremium einigen?
  • Was brauchen wir, um die Aufgaben zu erledigen und die Ziele zu erreichen? Was davon haben wir schon, was müssen wir noch erwerben?
  • Woran haben bisher noch gar nicht gedacht?
  • Worauf will ich in der Zukunft besonders achten? Wer oder was hilft mir dabei, dass ich das nicht vergesse?
  • Wer macht was bis wann?

 

Nutzungshinweise:

Selbstverständlich müssen nicht alle Fragen in den einzelnen Komplexen bearbeitet werden, dies ist meist aus Zeitgründen auch nicht möglich. Es ist jedoch immer zu hinterfragen, warum bestimmte Fragen nicht gestellt bzw. beantwortet werden sollen. In vielen Fällen wird unbewusst das vermieden, was die größten Probleme oder Konflikte ans Tageslicht zu bringen droht. Folgt man allzu schnell einem „Wissen wir doch, betrifft uns nicht und brauchen wir deshalb nicht.“, werden wertvolle Informationen verschenkt und Probleme weiter tradiert.

In Fragen mit „ / „ sind die genannten Punkt nicht alternativ, sondern additiv gemeint; es sind also alle Punkte zu bearbeiten.

Wer mit Wandzeitungen bzw. Flipchart-Blättern arbeitet, kann diese nach dem Workshop im BR-Büro aufhängen, um sich an das Erarbeitete immer wieder erinnern zu lassen. Mindestens sollten jedoch die Ergebnisse im Sinne eines „das wollen wir machen/darauf wollen wir achten“ zusammengefasst und sichtbar aufgehängt werden.

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