Lieber mit Freistellungserklärung zur Betriebsratsschulung

von Mediator und Coach Sebastian Schoberansky

Betriebsratsschulungen kosten Geld und führen zur Beeinträchtigung des Betriebsablaufes (wie Urlaub, Krankheit und andere Weiterbildungen übrigens auch). Daher besteht immer wieder Uneinigkeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, ob eine Schulung tatsächlich erforderlich ist bzw. ob die betrieblichen Belange bei der Terminierung ausreichend berücksichtigt wurden. In der Praxis sorgen solche Streitigkeiten immer wieder dafür, dass Betriebsratsmitglieder nicht mehr auf die geplante Schulung fahren können. 

Nun werden viele Betriebsräte von manchen Anwälten und Schulungsanbietern darauf hingewiesen, dass der Schulungsanspruch bei erforderlichen Schulungen gesetzlich gesichert sei, dass Betriebsratsmitglied also einen Freistellungsanspruch von den Schulungskosten gegenüber dem Arbeitgeber habe, und dass die Schulungsteilnahme erforderliche Betriebsratstätigkeit sei, zu der sich das Betriebsratsmitglied im Rahmen seines Anspruches auf Arbeitsbefreiung durch rechtzeitige Mitteilung an den Arbeitgeber einfach abmelden könne.

Folgen Betriebsratsmitglieder dieser Logik und warten nicht ab, bis der Arbeitgeber sie von der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt und die Kostentragung erklärt hat, gehen Betriebsratsmitglieder ein erhebliches Risiko ein, wie ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin wieder einmal zeigt.

Das LAG hat deutlich gemacht, dass der Arbeitgeber durchaus berechtigt ist, sowohl eine Abmahnung als auch einen Lohneinbehalt vorzunehmen, wenn er der Ansicht ist, dass das Betriebsratsmitglied zu Unrecht auf eine Schulung gefahren ist, also seine vertragsgemäße Arbeitsleistung unzulässigerweise nicht erbracht hat. Ausdrücklich weist das LAG darauf hin, dass das betroffene Betriebsratsmitglied nur auf dem individualrechtlichen Wege gegen beides vorgehen kann.

Damit ist klar, dass dem Betriebsratsmitglied in einem solchen Falle seine besondere Rechtsstellung nichts nützt und auch das Gremium für sein Mitglied nichts tun kann, indem es z.B. ein entsprechendes Beschlussverfahren anstrengt oder, wie im vorliegenden Fall, gegen eine Behinderung der Betriebsratsarbeit vorgeht.

Mit einer solchen Abmahnung setzt der Arbeitgeber das Betriebsratsmitglied in Zugzwang. Schließlich droht diesem je nach Formulierung der Abmahnung bei jeder Schulungsteilnahme, zu der der Arbeitgeber nicht explizit seine Zustimmung erteilt hat, oder gar bei jeder Arbeitsbefreiung für Betriebsratstätigkeit, die der Arbeitgeber nicht für erforderlich oder ordnungsgemäß gemeldet erachtet, die fristlose Kündigung. Will das Betriebsratsmitglied also einigermaßen angstfrei sein Amt ausüben können, so wird es zunächst einmal die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte arbeitsgerichtlich durchsetzen müssen. Und da dies sehr lange dauern kann, dürfte die unabhängige Amtsausübung auch für lange Zeit massiv eingeschränkt sein.

Grundregeln für Betriebsratsschulungen:

  • Prüfung der Erforderlichkeit:
    • Sachbezogenheit: ist die Schulung objektiv für den BR erforderlich?
    • Personenbezogenheit: ist die Schulung subjektiv für das BRM erforderlich?
    • Zeitbezogenheit: ist die Dauer angemessen und werden die vermittelten Kenntnisse sofort bzw. in absehbarer Zeit benötigt?
  • Rücksichtnahme auf die betrieblichen Belange
  • Abwägung der Verhältnismäßigkeit (Dauer, Kosten, Qualität, Teilnehmerzahl etc.)
  • Rechtzeitige Mitteilung an den Arbeitgeber

 

Betriebsrat: Vor dem Hintergrund des Urteils ist dringend anzuraten, dass Sie die Schulungsmaßnahme sowie die Entsendung der jeweiligen Mitglieder ordnungsgemäß beschließen und den Arbeitgeber auffordern, die Kostentragung für Schulung, Reisekosten, Unterbringung und ggf. Spesen sowie die Freistellung von der Erbringung der Arbeitsleistung für die namentlich im Beschluss benannten Teilnehmer rechtzeitig vor Buchung der Schulung zu erklären. In der Praxis hat es sich bewährt, den ersten Beschluss etwa drei Monate vor dem geplanten Termin zu fassen und dem Arbeitgeber eine Frist von nicht mehr als 10 Tagen zur Rückäußerung zu setzen. Dann bleibt meistens noch genügend Zeit, um bei Uneinigkeit die Verständigung zu suchen oder bei Erfolglosigkeit die Schulung je nach Fallkonstellation per Einigungsstelle oder Einstweiliger Verfügung durchzusetzen. Verzichten Sie im Zweifel auf die Teilnahme und suchen Sie eine für Sie persönlich sichere Lösung.

Stellen Sie offensiv die Erforderlichkeit und den zu erwartenden Nutzen heraus und zeigen Sie Ihre vorausschauende Planung im Sinne der geringstmöglichen Störung des Betriebsablaufs auf. Weisen Sie nach, dass Sie sich am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientiert haben und verschiedene Angebote verglichen haben. Wägen Sie Vor- und Nachteile von Inhouse- bzw. offenen Seminaren gegenüber den  (nicht) entstehenden Kosten wie Reise- und Übernachtungskosten ab. Begründen Sie Ihre Entscheidung ausführlich; dabei dürfen auch gerne Ihre Interessenlage aufzeigen.

Verweisen Sie ggf. darauf, dass es sich hier nicht nur um einen gesetzlichen Anspruch handelt, sondern dass bei Ihnen ein echtes Bedürfnis nach Kompetenz besteht. Machen Sie deutlich, dass auch der Arbeitgeber mit Anliegen kommen wird (oder bereits gekommen ist), die Sie nur bedingt nachvollziehen können und bei denen der Arbeitgeber auf Ihre Kooperationsbereitschaft angewiesen ist.

 

Arbeitgeber: Sicher sind Sie auch oftmals von der fehlenden Kompetenz Ihres Gegenübers angestrengt. Mangelnde Kompetenz sorgt entweder für getrübtes Verstehen oder für Abwehr aufgrund von diffusen Ängsten. Denken Sie daran, dass niemand in Ihrem Betriebsrat für dieses Amt studiert hat und deswegen seine Kompetenzen erst erwerben muss. Beachten Sie, dass mögliche Spannungen innerhalb des Gremiums und seiner Mitglieder aufgrund fehlender Kompetenz sich unweigerlich irgendwann nach außen wenden werden. Dann sind Sie ein beliebter Blitzableiter für diesen Frust und werden sich über den massiven Widerstand in ganz anderen Dingen wundern.

Prüfen Sie sorgfältig, ob die Kriterien für die Erforderlichkeit vorliegen. Zeigen Sie dem Betriebsrat, dass zwar nicht grundsätzlich dagegen sind, aber immer mitdenken. Falls Sie ablehnen müssen oder wollen: Legen Sie denselben Maßstab an Ihre Begründung, wie Sie ihn an den Schulungsbeschluss des Betriebsrats legen.

Fordern Sie vom Betriebsrat eine langfristige Planung und kommunizieren Sie diese mit den zuständigen Abteilungen. Verzichten Sie dabei darauf, gegen den Betriebsrat Stimmung zu machen; er bekommt es ganz sicher heraus. Reaktion dann siehe oben.

Verlangen Sie vom Betriebsrat die qualifizierte und effektive Arbeitsweise, die dem Stand seiner durch Sie ermöglichten Schulungen entspricht. Sie dürfen ruhig zeigen, wenn Sie unzufrieden sind. Rechnen Sie damit, dass vielleicht auch der Betriebsrat mit Ihnen unzufrieden ist und Ihnen oder Ihren Führungskräften Kompetenzlücken nachweist. Freuen Sie sich auch mal darüber, dass Ihnen Ihr Betriebsrat soviel Rückmeldung aus Ihrem Betrieb gibt und Entwicklungspotenziale aufzeigt. Das spart Ihnen so manchen teuren Unternehmensberater.

 

Betriebspartner: Suchen Sie auch bei diesem Problem nach gemeinsamen Zielen und Überzeugungen. Fragen Sie sich dabei, ob ein gemeinsames Ziel durch dahinterliegende oder übergeordnete andere Ziele tatsächlich diskreditiert wird (Beispiel: Beide Betriebspartner wollen den Gesundheitsschutz verbessern. Der Arbeitgeber will damit die Kosten senken und seinen Profit erhöhen, der Betriebsrat will die Arbeitnehmer aufgrund seiner moralischen Haltung vor Schaden bewahren. Soll wegen der unterschiedlichen und vielleicht als unvereinbar empfundenen Motivation der Gesundheitsschutz im Betrieb tatsächlich scheitern?).

Benennen Sie offen Ihre Sorgen und Befürchtungen, falls eine Schulung durchgeführt bzw. nicht durchgeführt wird. Haben Sie keine Angst vor Vorurteilen und sogen. Unterstellungen. Wir alle bilden uns Vor-Urteile und stellen Vermutungen über den state of mind unseres Gegenübers an. Bitten Sie Ihren Gegenüber um eine klare Rückmeldung, ob Ihre Annahmen zutreffen oder nicht. Verwerfen Sie Ihre Hypothesen, wenn sie nicht zutreffen, und arbeiten Sie gemeinsam an einer Lösung für die zutreffenden.

Verzichten Sie auf taktische Spielereien und Drohungen resp. Erpressungen. So etwas kommt immer an unerwarteter Stelle zu einem zurück.

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