Das Kreuz mit dem Weihnachtsgeld

von Fachanwalt für Arbeitsrecht Philipp Ukert

Alle Jahre wieder … wollen viele Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern zu Weihnachten etwas Gutes tun und zahlen ihnen ein Weihnachtsgeld. Das hebt nicht nur die Festtagsstimmung und verbessert die Motivation, sondern stärkt auch noch die Binnenkonjunktur. Doch wenn es mal mit der Konjunktur nicht so recht läuft, wird aus einer guten Tradition schnell ein teures Vergnügen, so dass Arbeitgeber das Weihnachtsgeld auch schon mal ganz streichen müssen. Groß ist dann die Enttäuschung bei den Arbeitnehmern, denn an den Geldsegen zum Jahresende hat man sich schon lange gewöhnt. Bevor man sich also die Weihnachtsstimmung durch einen hässlichen Streit verderben lässt, lohnt sich ein Blick auf die Rechtslage, die sich an folgendem Fall besonders schön verdeutlichen lässt.

Häufig ist es so, dass ein Arbeitgeber ein Weihnachtsgeld zahlt, ohne dass er dazu durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag verpflichtet ist. Für die Arbeitnehmer stellt sich dann die Frage, ob sie auch zukünftig mit derartigen Zahlungen rechnen können. Ein derartiger Anspruch kann unter dem Gesichtspunkt der betrieblichen Übung entstehen. Voraussetzung dafür ist, dass der Arbeitgeber das Weihnachtsgeld regelmäßig zahlt, so dass der Arbeitnehmer aus seiner Verhaltensweise schließen kann, dass die Leistung auf Dauer gewährt werden soll. Allerdings kann der Arbeitgeber diesen Eindruck ausschließen, indem er bei Zahlung des Weihnachtsgeldes darauf verweist, dass er freiwillig eine Zahlung leiste, so dass ein Rechtsanspruch auf zukünftige Leistungen nicht entstehen soll.

Was ist aber nun, wenn auch in einem gerichtlichen Verfahren nicht geklärt werden kann, ob der Arbeitgeber die Zahlung mit einem Freiwilligkeitsvorbehalt verbunden hatte.

Über diese Frage hatte das Landesarbeitsgericht Hamm (Urteil vom 11.04.2011 – 8 SA 1583/09) zu entscheiden.

Ausgangspunkt bei Beantwortung dieser Frage ist die Überlegung, dass nach allgemeinen Grundsätzen der Anspruchsteller (hier also der Arbeitnehmer) die Darlegungs- und Beweislast für die „anspruchsbegründenden“ Tatsachen trägt, den Antragsgegner (hier der Arbeitgeber) die Beweislast für „rechtshindernde“ Tatsachen trifft, weil er sich auf diese beruft. Ob eine Tatsache rechtsbegründend (also Voraussetzung der Forderung ist) oder rechtshindernd (also eine Forderung ausschließt) ist, ist nicht immer einfach zu entscheiden. Bei einem Anspruch aus betrieblicher Übung, mit dem wir es hier zu tun haben, ist die Frage umso schweiriger zu beantworten, weil dieser Anspruch nicht gesetzlich normiert ist, sondern von dem BAG entwickelt wurde. Das BAG selbst aber hat diese Frage noch nicht entschieden. Es lässt sich aber vermuten, dass das BAG den Freiwilligkeitsvorbehalt den rechtshindernden Tatsachen zuordnen will, wenn es darauf hinweist, dass es Sache des Arbeitgebers sei, den Freiwilligkeitsvorbehalt deutlich zu machen, wenn er eine vertragliche Bindung verhindern will. Danach wäre es Sache des Arbeitgebers, darzulegen und ggf. zu beweisen, dass er unmissverständlich auf die Freiwilligkeit der Leistung hingewiesen hat.

Das LAG Hamm kommt zu einem anderen Ergebnis. In dem von ihm zu entscheidenden Sachverhalt hatten die Arbeitnehmer seit 1999 jährlich ein Weihnachtsgeld erhalten. Der Arbeitgeber hatte sich in dem Verfahren darauf berufen, dass er im Betrieb am schwarzen Brett den Freiwilligkeitsvorbehalt ausgehängt habe. Ob das zutraf oder nicht, konnte auch durch eine Beweisaufnahme nicht geklärt werden. Nach Auffassung des LAG Hamm sei es aber Sache des Arbeitnehmers, die vorbehaltlose Zahlung nachzuweisen, also auch das Fehlen des Freiwilligkeitsvorbehaltes. Es sieht also das Fehlen des Vorbehalts als ein Element der anspruchsbegründenden Tatsachen, und nicht als rechtshindernd.

Dem wird nicht zu folgen sein.

Dennoch sollte Klarheit geschaffen werden, um Streitigkeiten zu vermeiden.

Wollen Arbeitgeber verhindern, dass ihr gutes Werk im Ernstfall zu einem finanziellen Boomerang wird, so sollten sie bei jeder freiwilligen Leistung nachweisbar schriftlich gegenüber jedem Arbeitnehmer den Freiwilligkeits- und ggf. sogar einen Änderungsvorbehalt erklären. Sie sollten aber dabei bedenken, dass sie damit zwar rechtlich auf der sicheren Seite sind, jedoch die Gefahr besteht, dass sie damit ihre guten Absichten konterkarieren. Arbeitnehmer reagieren sehr sensibel darauf, wenn eine Gabe dadurch entwertet wird, weil sie technokratisch abgewickelt wird. Eine bestehende betriebliche Übung lässt sich nur durch Änderungskündigungen rückabwickeln, eine Verringerung der Last durch eine verschlechternde „gegenläufige betriebliche Übung“ ist seit 2009 nicht mehr möglich.

Betriebsräte können versuchen, das Weihnachtsgeld in eine Betriebsvereinbarung zu überführen. Dabei ist zu beachten, dass die Zahlung eines Weihnachtsgeldes nicht erzwungen werden kann. Allerdings kann die Kopplung von Zahlungen z.B. an besondere Arbeitszeiten zu Weihnachten bzw. zum Jahreswechsel oder bestimmte Arbeitszeitkontenstände zum Jahresende das Weihnachtsgeld quasi durch die Hintertür verbindlich einführen.

Selten werden die Arbeitnehmer die Schreiben zu den freiwilligen Leistungen aufbewahrt haben, um nachweisen zu können, dass darin der Freiwilligkeitsvorbehalt fehlt. Zahlt der Arbeitgeber nach ihrer Ansicht zu Unrecht nicht, so müssen sie ihren Anspruch auf individualrechtlichem Wege gerichtlich durchsetzen, der Betriebsrat kann in dieser Situation rechtlich nichts für sie tun. Es bleibt ihnen aber unbenommen, einen entsprechenden Passus in den Arbeitvertrag hineinzuverhandeln oder im Rahmen der Tarifkommission für die Aufnahme dieser Leistungen in den Tarifvertrag zu sorgen.

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