Betriebsrats-Neuwahl bei Daimler: Das ewige Leid mit den Leitenden

In der Zentrale des Daimler-Konzerns soll am 8. November ein neuer Betriebsrat gewählt werden. Zuvor war die turnusmäßige Wahl im Jahr 2010 von Mitarbeitern und auch von der Christlichen Gewerkschaft Metall angefochten worden. Diese hatte schon die Wahl in 2010 durch eine Einstweilige Verfügung zu verhindern versucht, war aber damit in der zweiten Instanz gescheitert.

Arbeitsgericht wie auch Landesarbeitsgericht mussten feststellen, dass die Zuordnung der Leitenden Angestellten durch den Wahlvorstand bei der Aufstellung der Wählerliste offensichtlich fehlerhaft war, ja, sich geradezu aufdrängte. Sowohl die Entscheidung des Wahlvorstandes als auch das gewählte Zuordnungsverfahren wurden vom Gericht beanstandet.

Besonders pikant: Der Wahlvorstand ließ sich bei seiner Entscheidung maßgeblich von den Vorgaben der Arbeitgeberin leiten, die ihm zur Erstellung der Wählerliste zwei bereits vorsortierte Dateien überlassen hatte. Allein schon die mit diesen Dateien überlassenen Informationen ließen nach Auffassung des Gerichts eine gesetzeskonforme Prüfung und damit ordnungsgemäße Einzelentscheidung bei jedem in Frage kommenden Arbeitnehmer gar nicht zu.

Zur Entlastung der Arbeitgeberin muss man jedoch anführen, dass sie sich vermutlich auf eine Regelungsabrede mit einem früheren Betriebsrat stützte, in der sich die Betriebsparteien hinsichtlich der Frage, wer im Betrieb Leitender ist und wer nicht, geeinigt hatten. Leider fand diese Einigung jenseits der gesetzlichen Vorgaben des §5 (3) BetrVG statt. So gesehen hat der Betriebsrat mit seinem Handel dazu beigetragen, dass die Wahl in 2010 erfolgreich angefochten werden konnte.

Der vorliegende Fall wirft ein Schlaglicht auf ein schwieriges Thema, welches in der Praxis immer mal wieder zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat hochkocht und für den Wahlvorstand aufgrund des komplexen Rechtsbegriffes „Leitender Angestellter“ eine anspruchsvolle Aufgabe mit, wie zu sehen, erheblicher Tragweite darstellt.

Zwischen den Betriebsparteien führen die unterschiedlichen betriebspolitischen Interessen hinsichtlich der Leitenden jeweils zu einer dementsprechend eingefärbten Betrachtung der tatsächlichen Sachlage. Kommt es hierbei zu einer Einigung jenseits der gesetzlichen Vorgaben (und auch jenseits jeder rechtlichen Verbindlichkeit), so sind die Folgen überschaubar: aufgrund der Einigung erleiden die Betriebsparteien keinen Schaden, lediglich die betroffenen Arbeitnehmer könnten daraus Nachteile erleiden, gegen die sie sich jedoch im Rahmen einer Feststellungsklage wehren können. Fatal wird ein solches Vorgehen jedoch, wenn sich im Denken von Arbeitgeber und Wahlvorstand (dem häufig Mitglieder des Betriebsrats angehören) festsetzt, dass bei der Aufstellung der Wählerliste bzw. dem Zuordnungsverfahren bzgl. der Leitenden ebenfalls nach dem jeweiligen Gusto vorgegangen werden kann.

Wahlvorstände, die die gesetzlichen Zuordnungskriterien ernst nehmen, sehen sich oftmals einer heftigen Gegenwehr ihres Arbeitgebers bis hin zu Anfechtungsdrohungen und Abbruchforderungen ausgesetzt, die jedoch meist auf einer rein interessengeleiteten und oft auch tradierten Sichtweise basiert, der jegliche rechtliche Grundlage fehlt.

Wenig hilfreich sind dann auch Stellungnahmen an die Adresse des Wahlvorstandes durch die rechtliche Vertretung des Arbeitgebers, die parteiisch einseitig die Sichtweise ihres Mandaten stützen. Hier wird eine Eskalation vorprogrammiert, die sich zunächst aufgrund der zeitlichen Vorgaben des Wahlverfahrens auf das inhaltlich wenig zufriedenstellende Verfahren der Einstweiligen Verfügung beschränken muss. Und auch im Rahmen der nachgelagerten Anfechtung, die, wie gesehen, immerhin auch zu einer inhaltlichen Klärung führt, müssen sich die Beteiligten doch die Frage stellen, ob der dafür erforderliche Aufwand in Zeit, Geld und Nerven in einem verantwortbaren Verhältnis zur dann geklärten Rechtsfrage steht.

Denn auch wenn der Wahlvorstand entscheidet, wer auf die Wählerliste kommt und wer Leitender ist, so kann die rechtsverbindliche Entscheidung über Leitende weder durch ihn noch durch den Arbeitgeber, sondern letztlich nur durch ein Gericht getroffen werden. Wäre es da nicht praktischer weil zeit- und kostensparender, wenn man sich doch gleich streng an die gesetzlichen Kriterien

  • Recht zur selbständigen Entlassung und Einstellung
  • Generalvollmacht oder Prokura
  • Aufgaben mit besonderer Bedeutung für Bestand und Entwicklung des Unternehmens

hielte und dem Wahlvorstand die zur Beurteilung dieser Punkte erforderlichen Unterlagen auch gleich zur Verfügung stellte?

Kann es wirklich sein, dass läppische Statusfragen („Ich bin ein Leitender!!“) und überkommene Vorstellungen von Hoheitsbereichen („Diese Mitarbeiter gehören zu mir!“) äußerst kostenträchtig ausgefochten werden? Oder dass Unzufriedenheit über ein Wahlergebnis und politische Differenzen im Betriebsrat (wie angeblich bei Daimler) auf der formalen anstatt auf der inhaltlichen Ebene ausgetragen werden?

Freude macht das nicht.

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