§93 BetrVG: Interne Stellenausschreibung auch für Leih-Arbeitnehmer und bei kurzfristigen Bedarf

Das LAG Schleswig-Holstein hatte sich mit folgendem Fall zu befassen (29.02.2012, 6 TaBV 43/11):

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Arbeitgeberin zur Ausschreibung von Arbeitsplätzen, die vorübergehend mit Leiharbeitnehmern besetzt werden sollen. Im Jahr 2010 stellte die Arbeitgeberin im Zeitraum von Juni bis August 2010 eine Vielzahl von Leiharbeitnehmern befristet ein, um die Produktion zu sichern. Die ent-sprechenden Stellen hatte sie zuvor nicht innerbetrieblich ausgeschrieben. Aus diesem Grund verweigerte der Betriebsrat in zahlreichen Fällen die von der Arbeitgeberin beantragte Zustimmung zur Einstellung. Daraufhin beantragte die Arbeitgeberin beim Arbeitsgericht Lübeck in mehr als 100 Fällen die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG i. V. m. § 100 BetrVG. 

Der Betriebsrat hat die Ansicht vertreten, ihm stehe ein allgemeiner Unterlassungsanspruch zu, denn die Arbeitgeberin habe gegen die Betriebsvereinbarung „Stellenausschreibungen“ verstoßen, indem sie Leiharbeitnehmer ohne vorherige interne Stellenausschreibung eingestellt hat. Ein Unterlassungsanspruch folge zudem aus § 23 Abs. 3 BetrVG. Die unterbliebene Ausschreibung der mit den Leiharbeitneh-mern besetzten Arbeitsplätze sei ein grober Verstoß im Sinne dieser Vorschrift.

Die Arbeitgeberin hat gemeint, einer internen Ausschreibung der kurzfristig mit Leiharbeitnehmern zu besetzenden Stellen habe es nicht bedurft. Sie habe daher auch die Betriebsvereinbarung „Stellenausschreibungen“ nicht missachtet. Die Betriebsvereinbarung erstrecke sich nach ihrem Sinn und Zweck nicht auf Stellen, die ausschließlich für die Besetzung mit Leiharbeitnehmern vorgesehen sind. Sie habe den kurzfristigen Arbeitskräftebedarf ausschließlich mit befristet eingestellten Leiharbeitnehmern, die Vollzeit arbeiten, decken wollen. Auch die Eilbedürftigkeit habe einer internen Ausschreibung entgegengestanden. In der Rechtsprechung sei umstritten, ob der Be-triebsrat überhaupt eine innerbetriebliche Ausschreibung eines Arbeitsplatzes verlangen könne, wenn die Besetzung der Stelle ausschließlich mit einem Leiharbeitnehmer beabsichtigt sei.

Die Meinung des Gerichts:

Im vorliegenden Fall ergibt sich die Pflicht zur Ausschreibung nicht aus der Betriebsvereinbarung „Stellenausschreibung“. Bei dieser handelt es sich um eine freiwillige Betriebsvereinbarung (§ 88 BetrVG), die nicht die Ausschreibungspflicht, sondern das einzuhaltende Ausschreibungsverfahren regelt. Ziffer 2 Abs. 1 Satz 1 der Be-triebsvereinbarung begründet keine Ausschreibungspflicht neben der durch das Verlangen gemäß § 93 BetrVG bereits ausgelösten. Bei dem auf § 93 BetrVG gestützten Ausschreibungsverlangen handelt es sich um eine Angelegenheit, die keiner weiteren Regelung bedarf. Das Verlangen löst die Ausschreibungspflicht aus. Mit dessen Zugang ist die Angelegenheit abgeschlossen.

Die Betriebsvereinbarung greift somit nur die durch das Ausschreibungsverlangen begründete Pflicht zur Stellenausschreibung auf. Das Gesetz enthält keine ausdrücklichen Bestimmungen dazu, welche Anforderungen an Inhalt, Form und Frist einer Ausschreibung sowie deren Bekanntmachung zu stellen sind. Die konkrete Ausgestaltung obliegt allein dem Arbeitgeber. Näheres kann – wie im vorliegenden Fall geschehen – in einer freiwilligen Betriebsvereinbarung geregelt werden.

 

Wenn Ihr Betriebsrat die interne Stellenausschreibung gem. §93 BetrVG von Ihnen verlangt hat, müssen Sie als Arbeitgeber nach diesem Urteil auch für Leiharbeitnehmer und in Eilfällen immer zunächst intern ausschreiben. Solange Sie freiwillig keine Mindestfrist vereinbart haben, können Sie jedoch ohne Weiteres auch noch am Tag davor intern ausschreiben. Wenn Ihr Betriebsrat nicht wirksam nachweisen kann, dass er Ihnen sein Verlangen nachweisbar mitgeteilt hat, können Sie in Betracht ziehen, eine Nichtbeachtung zu wagen. Gleichwohl sollten Sie die interne Stellenausschreibung auch im eigenen Interesse grundsätzlich durchführen: Arbeitnehmer achten in aller Regel sehr darauf, ob Stellenbesetzungen transparent erfolgen und Chancen auf innerbetrieblichen Aufstieg bestehen. Sie tun daher hier etwas für Ihr Betriebsklima, auch wenn für Sie klar ist, dass Sie lieber einen externen Bewerber nehmen wollen. So lange Sie keine Einstellungsrichtlinien nach §95 BetrVG vereinbart haben, wird Ihre freie Personalauswahl durch die interne Stellenausschreibung nicht eingeschränkt.

Idealerweise stellt die interne Stellenausschreibung einen wesentlichen Teil Ihrer Personalplanung dar. Wenn Sie nicht schon systematisch die Kompetenzprofile und den Qualifizierungsbedarf Ihrer Mitarbeiter ermittelt haben, lässt sich hierüber der eine oder andere ungeschliffene Diamant entdecken. Sie schaffen Leistungsanreize, wenn Sie in den Ausschreibungen die im Rahmen von Stellenbeschreibungen und/oder Aufstiegsmanagement festgelegten Anforderungen ausweisen und denjenigen Ihrer Mitarbeiter, die sie erfüllen, auch den Zuschlag erteilen.

 

Solange eine Betriebsvereinbarung oder ein Tarifvertrag keine entsprechenden Regelungen beinhalten, haben Sie als Arbeitnehmer keinen Anspruch auf vorrangige Berücksichtigung Ihrer Bewerbung auf eine interne Stellenausschreibung. Die Ausschreibungen geben Ihnen jedoch wertvolle Hinweise darauf, was man auf einer bestimmten Position von Ihnen erwartet. Nutzen Sie alle Möglichkeiten der inner- wie außerbetrieblichen Weiterbildung. Sprechen Sie mit Ihrem Arbeitgeber über Ihren Veränderungswunsch und zeigen Sie ihm, dass Sie Ihren Teil dazu beitragen wollen. Bringen Sie gern auch Qualifizierungsvereinbarungen ins Gespräch, bei denen sich Ihr Arbeitgeber an den Kosten der Ausbildung beteiligt und Sie sich in aller Regel dazu verpflichten, Ihr neugewonnenes Wissen für eine bestimmte Mindestverweildauer im Betrieb einzusetzen.

 

Für viele Betriebsräte gehört es zum einmal abgehakten Standard, die innerbetriebliche Stellenausschreibung nach §93 BetrVG zu verlangen. Achten Sie dabei darauf, im Zweifel Ihr Verlangen nachweisen zu können, z.B. indem Sie den Beschluss zweimal ausdrucken, von zwei BRM unterschreiben lassen und sich auf einem Exemplar den Erhalt mit Datum und Unterschrift von Ihrem Arbeitgeber quittieren lassen. Um bei der Anhörung nach §99 BetrVG nachhalten zu können, dass die verlangte Stellenausschreibung auch tatsächlich erfolgt ist, müssen Sie den Ort, an dem üblicherweise ausgeschrieben wird, regelmäßig kontrollieren. Zur Vereinfachung können Sie mit Ihrem Arbeitgeber vereinbaren, dass er Ihnen immer zusammen mit einer Ausschreibung eine Nachricht oder besser noch eine Kopie zukommen lässt. Dies sichert schließlich auch ihn ab und hilft, unnötige Verzögerungen im Anhörungsverfahren zu vermeiden.

Nutzen Sie als Betriebsrat die interne Stellenausschreibung als Einstieg, um mit Ihrem Arbeitgeber eine umfassende Personalplanung zu entwickeln. Die Grundlage dafür erzeugen Sie, indem Sie nach §96 (1) BetrVG die Ermittlung des Berufsbildungsbedarfes  verlangen. Hier hat der Arbeitgeber eine IST- und SOLL-Analyse durchzuführen. Bei der IST-Analyse sind nicht nur die aktuellen Qualifikationen der einzelnen Arbeitnehmer, sondern auch die absehbare Fluktuation zu erfassen. Bei der SOLL-Analyse muss auch der zukünftige Bedarf erfasst, also auch geplante Investitionen berücksichtigt werden. In diesem Zusammenhang wird es erforderlich sein, sorgfältige Stellenprofile zu erstellen. Um die Ergebnisse des IST-SOLL-Vergleichs nachvollziehen zu können, wird sich der Betriebsrat mindestens sowohl die Erhebungen bei den Mitarbeitern als auch die Stellenprofile vorlegen lassen müssen.

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